Sonntags im Café
Lieber Frank,
es ist Sonntag und wieder sitze ich in unserem Café. Ich habe mir ein Stückchen Käsekuchen bestellt und einen Kaffee mit Milchschaumwölkchen. Es ist Oktober. Der Herbst zeigt sich in seinen herrlichen Farben, die gerade von der Sonne ins rechte Licht gesetzt werden. Ich schaue aus dem Fenster und denke an dich.
Es geht mir gut heute, denn gestern haben mich die Kinder besucht und wir hatten einen schönen Tag. Ich habe die Gesellschaft genossen und als am Abend alle wieder nach Hause fuhren war ich erschöpft, aber glücklich.
Du weißt ja noch gar nicht, dass Linda wieder schwanger ist. War das eine Freude, als sie es uns erzählte. Endlich wird Henry ein Geschwisterchen bekommen und ich werde zum zweiten Mal Uroma. Ich empfinde es als ein großes Geschenk, dass ich das erleben darf.
Am Tisch nebenan sitzt das Paar, das schon immer da war, als wir noch zusammen in dieses Café kamen. Sie reden kaum miteinander, trinken ihren Kaffee, genießen ihren Kuchen und gleich wird sie die Serviette nehmen, ihren Mund abtupfen und dann wird sie seine Hand nehmen und sagen: „Wollen wir nach Hause gehen, mein Lieber?“ Dann wird er nicken, der Kellnerin winken und zahlen. So war es schon immer und ich wünsche ihnen, dass es noch lange so bleiben möge. Das Schicksal meint es gut mit ihnen, sie haben sich und das ist wunderbar. Was gäbe ich dafür, wenn du mir nun gegenüber säßest und ich deine Hand halten dürfte.
Aber ich will nicht undankbar sein. Wir hatten ein gutes Leben, wir zwei. Weißt du noch, wie glücklich wir waren, als wir unser Häuschen am Stadtrand bekamen und den ersten eigenen Garten anlegten. Wie groß war die Freude, als wir die erste Portion Kartoffeln ernten durften. Ich habe damals einen großen Topf Gemüsesuppe gekocht, mit Mettwurst drin. Das mochtest du doch so gern. Manchmal bringt mir Linda etwas Eintopf von zu Hause mit. Der schmeckt mir sehr gut, auch wenn sie ganz anders kocht als ich das früher machte.
Der Gemüsegarten ist nicht mehr da. Linda sagt, dass sie dafür keine Zeit hat, deshalb ist da, wo früher die Kartoffeln standen, nun eine Rasenfläche entstanden. Henry hat viel Platz zum Spielen. Markus hat sogar eine Rutsche aufgebaut.
Ich war aber lange nicht mehr dort. Es ist so umständlich, wenn sie mich erst holen müssen. Ich verstehe das und sie haben ja auch ihr eigenes Leben. Das Haus ist nicht allzu groß, wir haben ja damals auch ganz schön zusammenrücken müssen, als deine Eltern noch bei uns waren. Du weißt ja, wie sensibel ich bin. Wenn ich dort bin, dann muss ich ständig weinen und das möchte ich den Kindern nicht zumuten. Ich komme schon zurecht, wirklich. Du musst dir keine Sorgen um mich machen.
Das Paar vom Nebentisch ist gegangen. Er hat ihr in den Mantel geholfen und nun wandern sie Hand in Hand nach Hause. Beneidenswert!
Am Dienstagnachmittag kommt wieder der nette Herr vom Gesangverein mit seinem Akkordeon zu uns ins Heim. Dann sitzen wir alle zusammen im Speisesaal und singen miteinander. Darauf freue ich mich schon sehr. Es erinnert mich an die Zeit, in der wir noch im Chor gesungen haben. Ach, war das schön! Du hattest eine so schöne Stimme und manchmal hatte ich das Gefühl, dass du nur für mich allein gesungen hast. Ich singe aus vollem Herzen mit und freue mich daran, dass viele Bewohner das ebenso machen. Es geht nicht allen so gut wie mir, manche von ihnen sind verwirrt und erkennen nicht mal ihre Kinder. Aber wenn gesungen wird, dann sind sie dabei und Frau Müller, die sonst nie ein Wörtchens sagt, singt dann alle Strophen der alten Lieder mit. Das ist sehr berührend und ich bin dankbar, dass ich noch so gut beieinander bin.
Ich muss nun diesen Brief beenden, mein lieber Frank. Gleich kommt der nette junge Mann, der seinen Zivildienst in unserem Haus leistet. Er holt mich ab, denn allein schaffe ich es nicht mehr. Es sind nur ein paar Meter, aber im Herbst sind die Bürgersteige manchmal rutschig und ich möchte nicht fallen. Nächsten Sonntag werde ich wiederkommen und dann schreibe ich dir, so wie jeden Sonntag, mein Liebster. Pass ein wenig auf mich auf, bitte! Machst du das?
Deine Anni
© Regina Meier zu Verl
Ich habe die Tränen in den Augen. Danke für deinen sehr persönlichen und berührenden Beitrag.
Elke
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Herzlichen Dank für den lieben Kommentar, liebe Elke!
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Berührend ❤
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Vielen Dank!
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Schön.
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Danke schön!
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Oh…wunderschön geschrieben!
LG, Petra
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Vielen Dank, Petra!
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so schön 🙂 Danke dir, liebe Regina
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Danke schön, liebe Annette!
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Das geht unter die Haut. Man möchte Anni halten, drücken. Wer Geschichten schreiben kann, die die Leser so anrühren, ist Meister des Faches!
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Hat dies auf Meine Erlebnisse im Altenheim rebloggt und kommentierte:
Diese wunderschön geschriebene Geschichte passt sehr gut zu meinem Blog aus dem Altenheim!
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Vielen lieben Dank, liebe Katrin,
fürs rebloggen, einige deiner Leser haben mich besucht und darüber habe ich mich sehr gefreut!
Herzliche Grüße zu dir ❤
Regina
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Genau so war es gedacht! Außerdem passt die Geschichte super zu meinem Blog!
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Hat dies auf effifanblog rebloggt.
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Ganz herzlichen Dank für deinen Besuch und den Reblog,
ich habe mich sehr gefreut!
Liebe Grüße
Regina
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Diese Geschichte geht sehr ans Herz. Danke, liebe Regina. ❤
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<3-lichen Dank!!!!!
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Eine wirklich einfühlsam erzählte Geschichte. Man kann sich so gut in Anni hinein versetzen. Wie gut, dass sie nicht mit ihrem Leben hadert, sondern es annimmt. — Ich wünsche euch morgen eine wunderschöne Taufe mit ganz viel Sonnenschein! LG Martina
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Danke, liebe Martina,
es war ein wunderbarer Tag gestern und auch die Sonne war zu Besuch!
Herzliche Grüße
Regina
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Wunderschön und berührend, ich habe auch nach dem Tod meines Mannes ein Tagebuch angefangen und erzähle ihm wie ich ohne ihn zurecht komme. Wünsche dir einens chönen Sonntag. Herzlichst Lore
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Liebe Regina,
Deine Geschichte geht mir so nahe, daß ich keine Worte finde . Ich sitze da und heule wie ein Schloßhund …
Liebe Grüße
Christine
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So wunderschön, ich bin tief berührt.
Alles Liebe
Marion
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Ganz herzlichen Dank für deinen Besuch und den lieben Kommentar!
Herzliche Grüße
Regina
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