Elan – Triumph – kümmern – provozieren – neidisch
Das sind die Reizwörter zur nachfolgenden Geschichte. Ich melde mich zurück und werde nun wieder regelmäßig mit von der Partie sein.
Bitte lest auch bei meinen Kolleginnen:
Lore
Martina
Eva
Christine
Kinderfeste sind out
„Morgen feiern wir ein Kinderfest!“, verkündete Onkel Erich und grinste wie ein Honigkuchenpferd.
Max und Tim schauten sich an und rollten mit den Augen. Onkel Erich war lieb, aber seine Ideen waren meist langweilig. Ein Kinderfest fanden beide blöd. Sie konnten sich lebhaft vorstellen, was der Onkel im Schilde führte und das gefiel ihnen nicht. Über Sackhüpfen, Eierlauf und derartige Albernheiten waren sie längst hinausgewachsen.
„Was guckt ihr denn so?“, fragte Onkel Erich nun. „Feiern ist doch toll!“
„Nö!“, riefen beide wie aus einem Mund und ließen den Onkel stehen. Sollte er doch sein blödes Kinderfest allein feiern.
Onkel Erich war verblüfft. Er hatte den Jungs doch was Gutes tun wollen. Schließlich waren sie nicht so oft bei ihm und er wollte jede Minute mit ihnen genießen. Er selbst hatte keine Kinder, aber das hieß ja nicht, dass er nicht wusste, was Kindern gefiel. Das dachte er jedenfalls.
Betrübt ging er ins Haus, setzte sich in die Küche und wartete auf seine Frau, die jeden Moment nach Hause kommen würde. Vielleicht konnte sie ihm sagen, was den beiden Jungen nicht an einem Kinderfest gefiel. Erich hatte es sich so toll vorgestellt. Die Kinder aus der Nachbarschaft wollte er einladen und Marita sollte Kuchen backen und Wackelpudding kochen. Er wollte mit ihnen Spiele machen, die er selbst früher geliebt hatte. Völkerball auf der Wiese hinter dem Haus, das wäre doch toll.
Onkel Erich erinnerte sich, wie viel Freude ihm das gemacht hatte. Oder eine Schnitzeljagd mit Schatzsuche. Um einen Schatz wollte er sich kümmern, da gab es jede Menge Möglichkeiten. Machte das den Kindern von heute denn gar keinen Spaß mehr?
„Ich werde mir das nicht verderben lassen!“, beschloss der Onkel und machte sich mit etwas gedämpftem Elan wieder an die Planung. Dazu hatte er einen großen Bogen Papier bereitgelegt, auf dem er sich Notizen machte.
Wo blieb Marita denn nur? Sonst kam sie doch immer pünktlich nach Hause. Das Mittagessen war längst fertig und wartete im Backofen. Onkel Erichs Magen knurrte laut.
„Ruhe!“, schimpfte er. „Nun knurrst du auch noch rum!“
„Na, sprichst du etwa mit dir selbst?“ Das war Tante Marita, die lachend die Küche betrat.
„Hier riecht es aber köstlich, was gibt es denn heute?“, fragte sie und stellte ihre Tasche auf einen Stuhl.
„Hackbraten, Kartoffelbrei und Gurkensalat!“, antwortete Onkel Erich. „Ich weiß allerdings nicht, wo Tim und Max sind. Sie haben mich stehenlassen wie einen begossenen Pudel, als ich ihnen von meinen Plänen mit dem Kinderfest erzählt habe!“
„Kinderfest?“, fragte Tante Marita. „Davon weiß ich ja gar nichts! Erzähle!“
„Also“, begann Onkel Erich, „ich hatte mir gedacht, dass ich den beiden Jungen eine Freude machen möchte. Da fiel mir ein, wie viel Spaß wir früher hatten, wenn wir ein Kinderfest gefeiert haben.“
Tante Marita stellte die Teller auf den Tisch und legte Besteck dazu.
„Ich fand das auch immer toll. Max und Tim können sich sicher gar nicht so richtig etwas drunter vorstellen. Wir sollten ihnen mal zeigen, wie toll wir im Garten feiern können. Aber zuerst habe ich Hunger. Ruf du doch bitte die Jungs und sag nichts mehr vom Fest. Ich habe da so eine Idee!“., sagte Tante Marita geheimnisvoll und zwinkerte ihrem Mann zu. „Und, lieber Erich, lass dich nicht provozieren, wenn sie doch davon anfangen, letztendlich wirst du den Triumph auskosten können, das verspreche ich dir!“
Erich seufzte. Seine Marita war eine kluge Frau, sicher würde es ihr gelingen, die Kinder zu begeistern. Ein wenig neidisch war er schon, ließ sich das aber nicht anmerken.
Er fand die Jungen auf dem Spielplatz gegenüber, wo sie gelangweilt auf dem höchsten Punkt des Klettergerüstes saßen und die Beine baumeln ließen.
„Hey, ihr Zwei, kommt zum Essen!“, rief Erich ihnen zu und wartete auf sie, bis sie ihn erreicht hatten.
Als alle zusammen am Tisch saßen, schlug Tante Marita vor, dass Onkel Erich mit den Kindern in die Stadt fahren sollte.
„Ihr könnt die Räder nehmen und euch ein Eis gönnen. Ich lade euch ein.“ Begeisterung sah allerdings anders aus. Max und Tim hatten wohl einen schlechten Tag. Nicht einmal ein Eis konnte sie locken. Sie wollten es sich aber mit Tante Marita nicht verderben und Onkel Erich hatten sie ja am Morgen schon geärgert, also nickten sie ergeben und radelten dann nach dem Mittagessen zusammen mit dem Onkel los.
„Lasst euch nur ein wenig Zeit!“, ordnete Tante Marita an. „Ich habe noch jede Menge zu tun und für heute Abend überlegen wir uns dann was Schönes, okay?“
Tante Marita räumte den Geschirrspüler ein und klapperte laut mit dem Geschirr. Onkel Erich war etwas beleidigt, dass sein geliebter Mittagsschlaf ausfallen sollte, aber er fügte sich. Eine Viertelstunde später waren die Drei unterwegs in die Stadt und Marita konnte schalten und walten wie sie wollte.
Zuerst rief sie ihre Freundin Anna an und organisierte einige Zweimann-Zelte. Anna und ihr Mann machten des Öfteren Freizeiten mit Kindern und waren dementsprechend gut ausgerüstet. Anna würde ihren Mann überreden, beim Aufbau behilflich zu sein, da Erich ja noch eine Weile unterwegs sein würde. Vorsichtshalber schickte Marita ihm eine Nachricht auf sein Handy, dass er auf keinen Fall vor 18.00 Uhr wieder zu Hause sein sollte. Er solle doch ins Kino gehen, oder sich etwas Anderes einfallen lassen, schlug sie ihm vor.
Dann folgten Telefonate mit den Nachbarinnen, die Kinder oder Enkel im Alter von Tim und Max hatten. Marita lud die Kinder zu einem Fest mit Übernachtung ein. Eine Stunde später hatte sie sechs Zusagen.
„Das wären dann vier Zelte mit jeweils zwei Kindern und ein Zelt für Erich und mich. Das wird ein Spaß!“, kicherte sie. Beim Metzger bestellte sie Bratwürstchen und den Bäcker in der Nachbarschaft überredete sie, eine große Schüssel mit Hefeteig vorzubereiten. Stockbrot sollte es geben und gegrillte Marshmallows. Das würden die Kinder mögen, da war Marita ganz sicher. Wie gut, dass Erich im letzten Jahr die große Feuerschale angeschafft hatte. Das würde ein herrliches Feuer geben.
„Habe ich an alles gedacht?“, fragte sich Marita, während sie in der Küche Gemüse schnippelte und Schalen mit Nüssen und Knabbereien vorbereitete.
Die Lichterketten fielen ihr ein. Schnell holte sie diese aus dem Keller und verteilte sie überall im Garten, legte Batterien ein und ließ sie probeleuchten.
„Alles Paletti!“, lobte sie sich selbst.
„Sprichst du mit dir selbst?“, fragte Roland, der gerade mit den Zelten in den Garten kam.
Marita lachte. „Ja, das habe ich von Erich übernommen, der spricht gern mit sich selbst, wenn gerade niemand da ist. Schaffen wir beiden das mit den Zelten?“
„Klar, das ist eine meiner leichtesten Übungen!“
Tatsächlich standen nach einer Dreiviertelstunde fünf Zelte im Garten, im Kreis angeordnet und in der Mitte die Feuerschale. Toll sah das aus!
„Gut, dass wir so viel Platz in unserem Wildgarten haben!“
Marita war zufrieden. „Kommt ihr heute Abend auch zu uns, wir würden uns sehr freuen und ein leckeres Bratwürstchen gibt es auch!“
Roland versprach’s und machte sich auf den Weg nach Hause.
Um fünf Uhr trudelten die ersten Kinder bereits ein. Verschwörerisch weihte Tante Marita sie ein, dass es sich um eine Überraschung für Tim und Max handelte und sie doch in die Zelte gehen und mucksmäuschenstill sein sollten, wenn die drei „Männer“ nach Hause kamen.
„In jedem Zelt sind zwei Luftmatratzen und Schlafsäcke. Sucht euch doch schon eure Schlafplätze aus und dann zeige ich euch Bad und Toiletten im Haus, okay?“
Dann war es soweit, um kurz vor sechs kamen Onkel Erich, Tim und Max nach Hause. Sie stellten ihre Fahrräder in der Garage ab und betraten das Haus durch die Haustür.
Die Zelte im Garten bemerkten sie nicht, weil Tante Marita vorsorglich die Vorhänge am Wohnzimmerfenster, das in den Garten zeigte, zugezogen hatte.
„So, meine Lieben!“, sagte Tante Marita. „Dann wollen wir uns mal einen gemütlichen Abend machen! Zieht doch eure Jogginganzüge an und dann setzen wir uns ein wenig auf die Terrasse, einverstanden?“
Sie zwinkerte Onkel Erich zu und erstaunlicherweise hatten auch die beiden Jungen nichts zu meckern. Während die Herren sich umzogen, schaltete Tante Marita die Lichterketten an, dann versteckte sie sich schnell in einem der Zelte.
Als Onkel Erich, Tim und Max den Garten kamen, sprangen die Gäste aus ihren Zelten und riefen: „Überraschungsfest!“
Tante Marita rief am lautesten und Onkel Erichs Augen leuchteten fast heller als die Lichterketten.
„Super, was für eine coole Idee!“ Tim und Max waren begeistert.
Es wurde ein toller Abend, mit Stockbrot und Würstchen, mit Gesang am Lagerfeuer und Märchen, die Tante Margret erzählte. Roland und seine Frau waren auch gekommen. Es wurde gelacht und gefeiert und als später alle in ihren Zelten verschwunden waren, hörte man noch lange fröhliche Stimmen und Gekicher.
„So ein Kinderfest ist ja doch ganz schön!“, stellte Tim fest und schämte sich ein bisschen, dass er den Onkel am Morgen so geärgert hatte.
„Du bist toll, Tante Marita und du auch, Onkel Erich, echt wahr!“, sagte Max und genauso meinte er es auch.
© Regina Meier zu Verl 2017
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