Weiberfastnacht
„Ich lach mich kaputt!“ Oma Betty wedelt sich mit den Händen Luft ins Gesicht, damit die Lachtränen keine Chance haben. Doch es ist bereits zu spät. Dicke Krokodilstränen kullern aus ihren Augen und zerstören eine halbe Stunde sorgfältiges Arbeiten vor dem Spiegel.
„Ausgerechnet heute …“, kräht Oma Betty. „Wo doch der Bürgermeister …“ Sie bricht ab und rennt ins Badezimmer, kommt aber gleich darauf mit dem Zehnfach-Vergrößerungsspiegel zurück. Fassungslos betrachtet sie ihr Spiegelbild und dann geht es wieder los, zuerst ein Glucksen nur, das aber schwallartig zu einem Lachanfall besonderer Güte wird.
„Was ist mit dem Bürgermeister?“, will ich nun wissen. Ich kann mir nicht vorstellen, was der damit zu tun haben könnte, dass Oma so aus der Fassung gerät.
„Er hat mich eingeladen!“, seufzt Oma und schlagartig verändert sich das Lachen und weicht einem Schluchzen.
„Was ist daran so lustig?“, frage ich vorsichtig und tätschele ihren Oberarm, um sie zu beruhigen.
„Nichts!“, stottert Oma. Sie nimmt ein Tempotuch und versucht die schwarzen Streifen, die ihr gepudertes Gesicht zieren wegzuputzen. Wenn ich das richtig beurteilen kann, macht sie es dadurch noch schlimmer. Mittlerweile ist ihr Gesicht gerötet. Wieder und wieder spuckt sie auf das Tuch und putzt und reibt verzweifelt.
„So soll der mich nicht sehen!“, jammert sie und wirft das Tempotuch in die Ecke. „So nicht!“
Das verstehe ich. So würde ich mich auch nicht gern sehen lassen. Ich frage mich nur, warum sie diesen Aufwand betreibt. Also frage ich mal nach:
„Oma, warum bleibst du nicht einfach so wie du bist. Ich finde dich voll okay!“, sage ich und warte ab.
„Meinst du?“, sagt sie zögernd und versucht, ihrem Spiegelbild zuzulächeln. In zehnfacher Vergrößerung sieht das wohl besonders lustig aus, denn prompt lacht sie wieder los.
Ich kann mich nun auch nicht mehr zusammenreißen und dann lachen wir beide Tränen.
Als wir uns beide wieder beruhigt haben holt Oma einen Waschlappen und wischt die Reste ihrer Malaktion ab. Der Lappen ist braun-schwarz-blau, igitt.
„Ich geh einfach nicht hin!“, sagt Oma. „Da kommen genügend andere, außerdem kennt er mich gar nicht!“
„Wer?“
„Der Bürgermeister!“
„Dann iss ja gut!“, meine ich und insgeheim bin ich froh, dass sie zu Hause bleibt. Ich habe nämlich heute frei. Ist ja Weiberfastnacht und zum Bürgermeister muss ich auch nicht, der hat nämlich die Frauen eingeladen – alle. Und ich bin nun mal ein Mann, ein kleiner, aber immerhin!
Worüber Oma anfangs so gelacht hat, das habe ich noch nicht rausbekommen. Ich bleibe aber am Ball, versprochen.
© Regina Meier zu Verl
Ich freue mich über jeden Kommentar.......................... "Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst du dich mit der Speicherung und Verarbeitung deiner Daten durch diese Website einverstanden.