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Posts Tagged ‘Kindheitserinnerungen’

2017-12-07 18.29.58

Das sind keine Büchersocken, sondern ganz einfache Füßesocken

Büchersocken

„Was strickst du, Oma?“, fragt Maila und versucht auf meinen Schoß zu krabbeln. Sofort lege ich das Strickzeug zur Seite und helfe der Kleinen hoch.
„Ich stricke Buchhüllen, Maila.“
„Ist den Büchern denn kalt?“
Ich muss lachen, dabei ist die Frage ja eigentlich clever.
„Nein, kalt ist ihnen nicht, aber es sieht doch hübsch aus, findest du nicht?“
„Ja, Oma, aber warum strickst du Socken für die Bücher? Strick doch lieber für mich, vielleicht ein Paar pinke Socken!“
„Hast du denn noch gar keine in Pink?“, frage ich und wundere mich. Sie besitzt Socken in allen Farben. Das dachte ich jedenfalls.
Heftig schüttelt Maila den Kopf.
„Nein, habe ich nicht. Die, die ich hatte sind zu klein geworden, deshalb habe ich sie Greta geschenkt, die hat winzige Füße.“
Greta ist Mailas Puppe. Sie hat tatsächlich winzige Füße, selbst Mailas Socken werden zu groß für sie sein. Deshalb schlage ich vor, dass ich, sobald ich die Buchhülle fertig gestrickt habe, für sie und Greta ein Paar Partnersocken stricken werde.
Das gefällt ihr.
„Oma, wie lange dauert es denn, bis die Buchhülle fertig ist?“
„Nicht mehr lange, es ist die letzte Hülle, dann sind alle Bücher bestrickt“, erkläre ich ihr und zeige ihr die ersten drei dicken Bücher, die wunderbare Wollkleider bekommen haben.
„Sind das Geschichtenbücher? Liest du mir etwas vor?“, bettelt sie.
„Es ist meine Lebensgeschichte, Kind und ich werde dir gern etwas vorlesen, aber nicht aus diesen Büchern. Die kannst du lesen, wenn du selbst lesen kannst und ich nicht mehr da bin.“ Meine Stimme kratzt verdächtig und meine Augen füllen sich mit Tränen.
Glücklicherweise fragt Maila nicht weiter nach. Ich müsste ihr dann erklären, dass ich meine Lebensgeschichte in vier Teilen erzählt habe. Frühling, Sommer, Herbst und Winter heißen sie und in den entsprechenden Farben habe ich die Schutzhüllen gestrickt. Gerade arbeite ich am letzten Teil, der Winterhülle.
Ich entscheide, dass ich das Thema nicht vertiefen möchte und lenke ab.
„Wollen wir gemeinsam die Wolle aussuchen?“, frage ich Maila, die sofort Feuer und Flamme ist.
Gemeinsam durchforsten wir meine riesige Wollschublade und finden eine regenbogenbunte Wolle, die Maila verzückt aus der Schublade holt.
„Die ist aber schön!“, ruft sie begeistert aus. „Die möchte ich!“
Schnell lege ich ein passendes Nadelspiel dazu und verspreche, noch heute damit zu beginnen.
„Aber zuerst noch eine Geschichte!“, bestimmt Maila und sie besteht darauf, dass ich aus dem Frühlingsbuch lese. Ich lasse mich darauf ein, denn mein Lebensfrühling war bunt und unbeschwert. Also beginne ich:

„Es war ein Dienstag, der heißeste Dienstag des Jahres 1955. Das sagte meine Mutter jedenfalls. Der Tag meiner Geburt. Alle waren zu Hause versammelt und warteten auf mich. Aber ich ließ mir lange Zeit. Mein Opa Willi lief den ganzen Tag wie ein Tiger im Käfig auf und ab. Er war nervös, denn ich war ja sein erstes Enkelkind. Oma kochte und war auch ganz aufgeregt. Meine Mama war oben im Schlafzimmer und wartete auf mich.“

Maila schaut mich mit großen neugierigen Augen an. Sie findet es spannend und fragt nach:
„Und dein Papa? Wo war der?“
„Der musste arbeiten. Er kam erst am Abend, als ich schon auf der Welt war und selig in meiner Wiege schlief.“
Ich zeige Maila ein Foto.
„Schau, das bin ich, da bin ich erst ein paar Stunden alt. Mein Papa hat das Foto gemacht.“
Meine Tochter ruft uns zum Abendessen, deshalb schließe ich das Buch und verspreche, am nächsten Tag weiter zu erzählen. Maila drückt mir einen dicken Kuss auf die Wange.
„Du warst ein süßes Baby, Oma, fast so süß wie ich!“, sagt sie und dann hüpft sie in die Küche und ermahnt mich noch, schnell nachzukommen, denn ihr Hunger sei soooooo groß. Dabei breitet sie die Arme aus und zeigt, wie groß er ist.
Wie gut ist es, dass ich mit dem Winterbuch gerade erst angefangen habe. Ich werde noch vieles erleben, das ich dort hineinschreiben möchte, sooooo vieles.

© Regina Meier zu Verl 2015

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Ein Kindheitserinnerung

Wir wohnten auf einer Etage mit einer Familie, deren zwei Töchter schon erwachsen waren. Die beiden Mädchen kümmerten sich um uns, wenn meine Eltern mal nicht zu Hause waren und eine der beiden, Doris, hatte mich so ins Herz geschlossen, dass sie mich immer einlud, wenn ihre beste Freundin Käthe auch zu Besuch war.

Ich besuchte damals die Sexta des Städtischen Gymnasiums und fühlte mich mit meinen zehn Jahren schon sehr erwachsen, wenn ich zum Damenkränzchen mit Eierlikör und Salzstangen eingeladen wurde.

Der Abend wurde traditionell mit der Hitparade eingeläutet und wie gebannt starrten wir alle drei auf die Schwarz-Weiß-Mattscheibe.

Ich vergesse nie den Abend, an dem Christian Anders das erste Mal auftrat. Ich war hin und weg als er sang: „Geh nicht vorbei, als wär nichts geschehn, es ist zu spät um zu lügen!“

Sofort verkündete ich den beiden anderen, dass Christian von nun an der meine war und sie sich auf den Kopf stellen könnten, mir das auszureden.

Vier Wochen sparte ich für die Single, und ich hörte sie von da an täglich mindestens zwanzig Mal.

Meine Mutter fand das anfangs ganz amüsant, später durfte ich dann nur noch auf Zimmerlautstärke drehen und kostete es schamlos aus, wenn ich mal allein in der Wohnung war. Meine Zimmerwände waren beklebt mit Bildern und Postern, die ich sammelte und Doris, die damals schon die Bravo lesen durfte, schnitt mir jeden Artikel aus und sammelte sogar den Super-Star-Schnitt. Meine Güte, war ich glücklich.

Später änderte sich mein Musikgeschmack, spätestens, als „Eloise“ von Barry Ryan die Nummer eins in den Charts war. Aber auch diese Phase hielt nicht lange an.

Meine Mutter trauerte der Christian Anders Zeit hinterher, als ich anfing mich für Pink Floyd, Jethro Tull und Exception zu begeistern. Diese Begeisterung hat bis heute angehalten.

Die Schwärmerei für Christian Anders muss wohl mit dem Eierlikörchen zu tun gehabt haben, das ich schon damals trinken durfte.  Dass mir das aber ja niemand meinen Kindern verrät, denn den beiden habe ich kein Likörchen erlaubt bevor sie sechzehn waren…

© Regina Meier zu Verl

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2017-11-20 14.01.05

Das ist es nicht, das Perlonkleid, aber immerhin bin ich hier noch sauber.

Das gelbe Perlonkleid

Gerade habe ich mir alte Fotos angeschaut, Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die mein Vater mit seiner Vogtländerkamera geschossen hat. Damals hat er sich im Badezimmer eine Dunkelkammer eingerichtet und alle Bilder selbst entwickelt.
Wir Kinder sollten an solchen Fotolabortagen entweder gleich ins Bett gehen, weil unser Zimmer direkt hinter dem Bad lag, oder wir „mussten“ aufbleiben, bis Papa fertig war. Dieses Opfer haben wir nur allzu gern gebracht und unsere Mutter spielte mit.
„Ihr Armen, wie gern würdet ihr ins Bett gehen und leider dürft ihr nicht!“, pflegte sie zu sagen und wir nickten mit ernsten Gesichtern.
„Könnte ja sein, dass wir aufs Klo müssen und dann wären die ganzen Bilder verdorben“, erklärte ich meinen jüngeren Geschwistern. Das Klo befand sich nämlich nicht im Bad sondern außerhalb der Wohnung. Wir teilten es mit den Strothmännern, einer Familie, die auf der gleichen Etage wohnte wie wir. Irgendwie waren wir alle eine große Familie, denn mit den Strothmännern teilten wir nicht nur die Toilette, sondern auch die Badewanne. Samstags, am Badetag, war bei uns Hochbetrieb. Zuerst badete Familie Strothmann, einer nach dem anderen. Danach waren wir an der Reihe, immer nach dem Motto: Der Sauberste zuerst. Ich war leider ganz selten in der glücklichen Lage, als erste in die Wanne zu dürfen. Meine Schwester war einfach immer sauberer als ich und mein Bruder fing erst später an, sich schmutzig zu machen, da hatte ich die Spielphase im schwarzen Sennesand längst überwunden und schmückte mich mit gelben Perlonkleidchen.

Immer wieder schaue ich mir das Bild an, ich weiß noch genau, wie dieses Kleid aussah und wie es sich anfühlte. Das Muster war eingewebt und lag auf der Stoffoberfläche. Ja sogar den Geruch des zarten Kleidchens habe ich noch in der Nase, denn meine Mutter bügelte es nach der Wäsche immer mit einem nassen Tuch, das in Lavendelwasser getaucht war. Himmlisch!
„Kind, ich bitte dich, mach dich nicht so schmutzig“, sagte sie mit inbrünstiger Stimme, wenn ich es trug. Dabei war ich weit davon entfernt, mich in diesem Prinzessinnenkleid in den Wald oder Sandkasten zu begeben. Im Gegenteil, wie ein Mannequin spazierte ich auf der Straße entlang und blieb alle Nasen lang stehen, um mit Spucke meine Lackschuhe wieder auf Hochglanz zu bringen. Unsere Straße war eigentlich ein Weg, ein Sandweg und man kann sich vorstellen, dass schwarze Lackschuhe gerade mal drei Schritte lang glänzend blieben und dann von einem grauen Schleier überzogen wurden. Vom Abwischen wurden die Hände ziemlich schwarz und gleich danach auch das Gesicht, denn auf dem Land setzten einem die Fliegen doch ganz schön zu, manchmal wollten sie bis in die Nasenlöcher krabbeln und dann musste man sie schnell verscheuchen.

Wenn ein Nachbar sich auf der Straße sehen ließ, fasste ich das Kleidchen am Saum und hob es ein wenig an. Das hatte ich mal bei einer Schauspielerin gesehen und fand das einfach wunderbar. Anschließend wurde dann der bauschige Rock mit den Händen wieder geglättet.
Ich erinnere mich noch gut an den zornigen Blick meiner Mutter, wenn ich nach einem derartigen Ausflug wieder zu Hause ankam. Dann wurde ich ganz still und die Tränen zeichneten Straßen auf meine schmutzigen Wangen.
So richtig doll geschimpft hat meine Mutter aber nicht, das gute Kleid kam wieder in die Wäsche und schon am nächsten Tag duftete es wieder nach Lavendel. Ich war ein glückliches Kind, ja, das war ich.

© Regina Meier zu Verl

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Das sind die heutigen Reizwörter:

Krämerladen – Bierflaschen – suchen – lesen – staubig.
Bitte lest auch bei meinen Kolleginnen:
Lore

Martina
Eva

Christine

Tante Käthes Krämerladen

Alle nannten das Geschäft von Tante Käthe stets den Krämerladen. Dabei hieß Tante Käthe mit Nachnamen gar nicht Krämer. Dass der Begriff von den Worten Kram oder kramen abgeleitet wurde, habe ich erst viel später verstanden. Heute sehne ich mich hin und wieder nach so einem Laden wie Tante Käthe ihn damals betrieben hat. Man muss aber danach suchen, denn es gibt sie nur noch vereinzelt. Ich glaube in unserem Ort ist davon keiner mehr zu finden. Bei Tante Käthe war immer Zeit für einen kurzen Plausch und wie oft haben wir Kinder einen Lutscher oder ein Bonbon geschenkt bekommen. Tante Käthe stand fein frisiert und mit ihrer steif gestärkten und gebügelten Schürze hinter dem Tresen und begrüßte jeden Kunden mit persönlichen Worten.
„Na, junge Dame, wie geht es dir heute. Bist ein bisschen blass um die Nase!“, sagte sie einmal zu mir. Ich versicherte ihr, dass ich aber ganz gesund sei. Ich reichte ihr meinen Einkaufsbeutel über den Tresen, in dem zwei Bierflaschen klimperten, die ich zurückgeben sollte.
„Soll ich die wieder auffüllen?“, wollte sie wissen. Ich schüttelte den Kopf.
Bier kauften wir nur am Wochenende. Während der Woche gab es Tee in allen Variationen. Wir Kinder bekamen am Samstag eine Flasche Apfelsinchen, die mussten wir uns einteilen. Oh, wie habe ich das Getränk geliebt. Noch heute genehmige ich mir ab und zu eine Flasche dieser knallorangen Zuckerbrause und dann denke ich zurück an die Zeit, als ich Kind war. Was gab es Schöneres als eine Scheibe frisches Graubrot mit Butter und Leberwurst, garniert mit Gewürzgurkenscheiben und dazu ein Glas Apfelsinchen? Nichts!
Neben Tante Käthes Laden war eine Gastwirtschaft, in der Onkel Heinrich, Käthes Ehemann, das Regiment hatte. Er stand dort hinter seiner blitzblank geputzten Theke und versorgte die Gäste mit frisch gezapftem Bier, Limonaden, Frikadellen mit Senf und sauren Gurken. Manchmal gingen unsere Eltern mit uns dorthin und wir durften jeweils für einen Groschen Erdnüsse aus den Kugelautomaten ziehen, die früher in jeder Gastwirtschaft zu finden waren. Bei Onkel Heinrich gab es sogar zwei verschiedene Sorten, gesalzene Nüsse und Erdnüsse, die mit einer roten Zuckerschicht überzogen waren. Meine Mutter nahm für jeden von uns einen Bierdeckel und kniffte die vier Seiten ein wenig nach oben, so dass ein kleines Schälchen entstand, da hinein legten wir die Nüsse und genossen sie, langsam, eine nach der anderen.
In der Kneipe gab es auch eine Musikbox. Für 50 Pfennig konnte man drei Schlager wählen, wenn ich mich richtig erinnere. Während ich das hier schreibe, kriecht mir der Geruch der alten Kneipe in die Nase. Es duftet nach Bohnerwachs, Bier und Tabak. Ganz leise höre ich Rita Pavone singen: Arrividerci Hans. Ich kann den Text noch heute auswendig. Ich fand den Schlager toll. Später hat sich mein Musikgeschmack deutlich verändert, trotzdem war es so eine schöne Zeit mit dem Lied von Hans, den zwei kleinen Italienern, die nach Napoli reisen wollten und den roten Lippen, die zum Küssen da sind.
Meine Freundin und ich sangen diese Schlager mit Begeisterung, wenn wir unsere täglichen Spaziergänge machten.
Während ich das hier geschrieben habe, fühlt sich alles ganz frisch an. Es sind keine staubigen Erinnerungen mehr und nachdem ich nun nachgelesen habe, was mir da innerhalb der letzten Stunde auf die Tastatur gehüpft ist, habe ich große Lust, weitere Erinnerungen aufzuschreiben. Mal sehen, was da noch so kommt!

© Regina Meier zu Verl 2017

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2011-12-10-17-47-22

Warten auf das Christkind

Als wir Kinder waren, fuhr unser Papa mit uns am Heiligabend zu den Großeltern nach Bielefeld. Mama blieb zu Hause, sie war mit den Vorbereitungen für das Fest beschäftigt. An den beiden Feiertagen kamen nämlich die Großeltern zu uns und da wurden leckere Sachen aufgetischt. Dazu gehörte auch der Sauerbraten, den Mama schon Tage vorher eingelegt hatte, ein riesiges Rindfleischstück, das stundenlang auf dem Herd stand. Natürlich gab es zu Weihnachten nur Selbstgebackenes, Mama war eine Meisterin im Plätzchen backen.
Aber zuvor wurden wir bei Oma und Opa verwöhnt. Wir sangen Weihnachtslieder und jedes Kind bekam eine große Tüte mit Süßigkeiten. Mein Opa erzählte von früher und überall brannten Kerzen. Früher war zu Weihnachten meist Schnee gefallen, so dass die Fahrt nach Hause dann länger dauerte als gewöhnlich, wegen der vereisten Straßen. Sieht man heute Lichter in den meisten Fenstern und Vorgärten, so war das damals eher eine Seltenheit und umso mehr staunten wir, wenn wir einen Weihnachtsbaum in einem Garten entdeckten. In der Stadt gab es mehr Lichter, je weiter wir aber nach Hause kamen, desto dunkler wurde es und die Spannung stieg, endlich den eigenen Weihnachtsbaum anschauen zu dürfen und wie gespannt waren wir, ob in der Zwischenzeit das Christkind gekommen war. Zu gern hätte ich es einmal gesehen, aber Mama erklärte, dass nicht einmal sie es zu Gesicht bekommen habe. Ganz heimlich sei es im Wohnzimmer gewesen und habe dort Geschenke für uns abgelegt.
Zu Hause angekommen mussten wir dann auf dem Flur warten, denn in unsere Wohnung gelangte man nur durch das Wohnzimmer und das war noch Geheimzone. Wir saßen also auf der frisch gebohnerten Treppe und warteten, mucksmäuschenstill, denn es hätte ja sein können, dass das Christkind noch im Hause war und das musste ja, wenn es das Wohnzimmer verließ ebenfalls durch den Flur. Wie sonst hätte es das Haus verlassen sollen?
Nun lag die Toilette aber außerhalb der Wohnung, denn sie wurde gemeinsam mit den Nachbarn genutzt. Im Toilettenraum gab es ein Fenster, das führte auf den Balkon und unser Küchenfenster lag gleich um die Ecke, so dass man von dort in die Wohnung gelangen konnte, wenn man durch Klofenster auf den Balkon und von dort aus dann in die Küche kommen konnte. Von der Küche aus gab es nämlich auch eine Tür zum Balkon. Komisch, dass mir das gerade erst einfällt, als ich diese Erinnerungsgeschichte schreibe. Jetzt wird mir nämlich einiges klar. Das Christkind hat den Balkon genutzt. Das hätte man wissen sollen, denn dann wären wir dem Geheimnis doch schneller auf die Spur gekommen, oder?
Wenn Mama dann auf dem Klavier „Ihr Kinderlein kommet“ spielte, dann war es soweit und wir durften das Weihnachtswohnzimmer betreten. Ich erinnere mich gut, wie sehr mein Herz geklopft hat vor lauter Aufregung, und dass ich im Gesicht ganz grün war, das lag wohl an den Süßigkeiten, die in meinem Bauch herumkullerten – aus Opas und Omas Süßigkeiten Tüte. Was soll man auch sonst machen, wenn man wartet? Essen! Mache ich heute noch, vertrage es aber besser.
Ja, so war das am Heiligabend bei uns.

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2014-04-19-19-12-35

Hat meine Mama mich nicht nett bestrickt?

Einmal, viele Jahre ist es her, da ging ich mit meinem Großvater im Winter in den Tierpark Olderdissen. Wir waren schon oft dort gewesen, aber bisher immer im Sommer oder Herbst. Den Tierpark so verschneit zu sehen, das war mal ein ganz anderes Erlebnis. Ich erinnere mich gut daran, wie fasziniert ich war und mein Opa harrte geduldig vor jedem Gehege mit mir aus, weil ich einfach nicht genug bekommen konnte und jedem Tier einen Namen geben musste. Ich muss ungefähr fünf Jahre alt gewesen sein. Weiter reichen meine Erinnerungen nämlich nicht zurück. Selbstverständlich kommentierte ich alles, was ich sah und tat. Opa sagte später, meine kleine Schnute habe zu keiner Zeit stillgestanden. Er sagte sogar, dass er eigentlich gar nicht zu Wort gekommen sei. Ich muss das wohl nicht so empfunden haben, denn ich erzählte meiner Oma später: „Opa und ich wir haben uns gut unterhalten, stimmt’s Opa?“

Den Tierpark, der bereits 1930 entstand, gibt es noch immer. Heute gehen meine Enkelkinder dorthin. Er hat noch immer nichts von seiner Anziehungskraft verloren und ich nehme mir vor, bald mal wieder hinzugehen, mit den Enkelkindern. Mal sehen, ob ich zu Wort kommen werde.

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Wieder packt mich die Sehnsucht,
den Weg meiner Kindheit zu gehen.
Dorthin, wo wir gespielt haben,
unbefangen, ohne Angst,
mit kindlicher Fantasie und Freude.

Steht sie noch, die alte Eiche,
die uns Schutz bot mit ihrem Blätterkleid,
wenn ein leichter Sommerregen
nicht zum Heimgehen bewegen konnte?

Leuchtet die untergehende Sonne noch
im gleichen, warmen Orange,
wenn es Zeit ist, den Weg zurück zu gehen,
nach Hause?

Die Faszination der Erinnerung –
neu gespürte kindliche Freude,
einfach nur noch einmal den Weg gehen,
den Weg der Kindheit.

Immer wieder sind es die Bäume, bei denen ich lande, wenn ich an vergangene Zeiten denke und auch in der Gegenwart sind sie es, mit denen ich mich vergleiche. In dem Gedicht Lebensherbst kommt das auch zum Ausdruck. Ich war so ein richtiges Waldkind und das bin ich wohl heute noch!
Elke teilt die Liebe zu den Bäumen und zum Wald mit mir, mir gefällt ihre Geschichte „Windkind und der kitzlige Nussbaum“ sehr.

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Wieder mal ein kleiner Auszug aus meinen Kindheitserinnerungen …

1060-1970 Neische

Das war eine wahre Festwoche, wenn Fräulein Hollenhorst zu uns kam. Wer ihr den Spitznamen die „Neische“ verpasst hat, weiß ich nicht mehr.

Während ich an sie denke, sehe ich sie deutlich vor mir, mit frisch dauergewellter, blonder Kurzhaarfrisur und Korallen-Ohrringen, die bei jeder Kopfbewegung so herrlich hin- und her wackeln. Zwischen die Lippen hatte sie drei, vier Stecknadeln geklemmt, damit diese immer griffbereit waren.

Schneiderin war sie und sie fuhr mit ihrem Fahrrad von Haus zu Haus, blieb dort ein paar Tage und nähte die neueste Saisonkollektion für die gesamte Familie. Selbstverständlich wurde der Stoff vorher im Sonderangebot eingekauft und so konnte es sein, dass alle drei Kinder Kleidung aus dem gleichen Stoff bekamen, meine Schwester und ich Trägerröcke, meine Bruder eine Latzhose, oft kariert, immer superchic.

Selbst als einmal der Riemen der Singer-Tretnähmaschine riss, behielt sie die Ruhe. Es wurde kurzerhand ein Riemen bei Tante Strothmann, der Nachbarin ausgeliehen.

Aber das war nicht das Wichtigste, für uns Kinder, dass wir neue Kleidung bekamen, viel bedeutsamer war, dass es nach jedem Mittagessen auch einen Nachtisch gab und das war sonst nur am Sonntag der Fall.

Meine Mutter gab sich natürlich ganz besonders große Mühe beim Kochen, weil sie den Gast ja ordentlich bewirten wollte.

Wenn man Fräulein Hollenhorst eine Frage stellte, antwortete sie meist kurz und bündig, doch ein einfaches Ja gab es bei ihr nicht, sie „sagte“ stattdessen Hö-ö-hö und nickte salbungsvoll mit dem Kopf.

Nach dem Mittagessen las sie in Ruhe die Tageszeitung und trank eine Tasse Kaffee, um nach einer Dreiviertelstunde wieder an ihre Arbeit zu gehen.

Ich habe ihr gern zugesehen und wenn ich nicht damals den Entschluss gefasst gehabt hätte, Lehrerin zu werden, dann wäre ich sicher Damenschneiderin geworden, so sehr habe ich sie bewundert. Auch dachte ich mir, dass ich dann sicher wunderbare Sachen zum Mittagessen vorgesetzt bekommen hätte, ein weiteres Argument für diesen Beruf.

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Früher wurde das Krankenhaus in unserem Dorf (jetzt sind wir eine Stadt) von Ordensschwestern betrieben. Am Fronleichnamstag legten die Schwestern Teppiche aus Sommerblumen, die Kunstwerke enthielten christliche Motive . Wir sind als Kinder immer dorthin gegangen und haben die Teppiche bewundert. Tausende von Kornblumen, Margeriten, Kleeblüten und Gartenblumen wurden kunstvoll in mühevoller Arbeit auf der Straße ausgelegt. Auch die Heiligenhäuschen, von denen es hier recht viele gibt, wurden geschmückt für diesen Tag und an den Wegrändern wurden gelb-weiße Fahnen aufgestellt.

Dann gab es eine große Prozession, vorweg gingen die Messdiener und unter einem Baldachin wurde das Kreuz mitgeführt, ein kleines goldenes. Danach folgten der Priester und dann die Gemeinde. Ich habe das immer nur als Zuschauer wahrgenommen, weil ich evangelisch bin. Als Kind fand ich das ungerecht, ich wollte eigentlich gern dabei sein, denn alle meine Freundinnen waren beteiligt.

Später habe ich in dem Krankenhaus Sonntagsdienst gemacht, frühmorgens bin ich hingegangen und habe den Schwestern in der Küche geholfen, durfte auch mal Essen austragen und immer wieder habe ich bei den Patienten am Bett gesessen und mit ihnen geredet. So verbrachte ich meine Sonntage als Zwölfjährige. Eigentlich seltsam, dass ich nicht Krankenschwester oder Pflegerin geworden bin – daber das Leben nimmt manchmal Umwege und so verlor ich diese Arbeit aus den Augen, als die Schule mich mehr beanspruchte und ich in den Leistungsdruck geriet.

Erst vor ein paar Jahren holte mich das wieder ein und ich arbeitete über ein Jahr lang als Nachtwache in einem Altenheim. Nebenbei betreute ich mehrere alte Menschen zu Hause – ohne eine entsprechende Ausbildung, aber mit viel Herzenswärme und Freude. Manchmal vermisse ich das, auch wenn es anstrengend war. Warum ich das nicht mehr mache?
Die vielen Abschiede haben mir zu schaffen gemacht, immer wieder stand der Tod in der Tür und holte einen Menschen zu sich, dem meine Aufmerksamkeit galt. Ich habe mich daran nicht gewöhnen können und immer sehr gelitten.

Heute war ich wieder Zuschauer der Fronleichnamsprozession, aus meine Dachfenster heraus und ohne Blütenteppiche auf der Straße. Die Kirchenglocken läuten schon den ganzen Vormittag und ich erinnere mich an das, was ich oben geschrieben habe …

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