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Posts Tagged ‘Erinnerungen’

Gerade sprang mich das Datum so an – manchmal weiß ich gar nicht, wie weit im Monat wir vorangeschritten sind und mir wird erst am Abend bewusst: „Meine Güte, heute war ja schon der xyt-te“

Wenn man nicht mehr außer Haus berufstätig ist, spielt das Datum keine so große Rolle mehr, habe ich festgestellt, aber das wollte ich hier und heute gar nicht erzählen.

Mich sprang das Datum an und ZACK hatte ich ein Bild im Kopf.

Vier Mädchen, Heidi, Anke, Marianne und Regina, sie sind etwa 8 Jahre alt, spielen auf einem Schulhof „Machet auf das Tor, machet auf das Tor, es kommt ein goldner Wagen…“

Der ein- oder andere mag das noch kennen, wir haben es mit wachsender Begeisterung gespielt damals, lange ist’s her. Und warum fällt mir das heute ein? Weil Marianne heute Geburtstag hat. Ich habe sie ewig nicht gesehen, dabei lebt sie gar nicht so weit entfernt von hier. Ich werde heute mal ihre Adresse raussuchen und vielleicht rufe ich sie auch an, oder ich schicke eine Karte – ja, das werde ich machen!

 

EDIT: Ich habe sie angerufen, war das eine Freude, auf beiden Seiten. Die Karte schicke ich ihr trotzdem! 🙂

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Als wir Kinder waren, kam bei uns an den Wochentagen der „Milchwagen“, außer Milch konnte man bei ihm auch Brot und Kuchen und allerlei Dinge für den täglichen Bedarf kaufen. Wir Kinder liebten das und manchmal bekamen wir auch das, was in der folgenden Geschichte eine Rolle spielt. Da es gerade einen Hagelschauer hier gab, habe ich diese Erinnerung direkt in eine Geschichte verpackt.

(Die Namen wurden „deutlich“ verändert, um die Protagonisten zu schützen. 🙂

Leckeres Wetter

Es war ein Montag im Februar. Gerade noch war der Himmel strahlend blau gewesen und erste Sonnenstrahlen hatten sich hervorgewagt.
Das niedliche Rotkehlchen, das täglich seinen Futterplatz auf der Terrasse aufsuchte, stritt mit einer Blaumeise um den besten Platz leckeren Knödel, als es mit einem Mal dunkel wurde. Eine dicke Wolke schob sich vor die Sonne und im nächsten Moment hagelte es.
Unmengen von winzigen weißen Hagelkörnern fielen vom Himmel und bedeckten die Erde mit einem weißen Tuch.
Die Vögelchen vergaßen ihren Streit und nahmen Reißaus.
Gina stand am Fenster und beobachtete das Naturschauspiel. Ihre Schwester saß am Tisch und vernähte die Fäden ihres soeben fertiggestellten Jäckchens fürs Enkelkind.
„Guck mal schnell!“, rief Gina und deutete aus dem Fenster. Elke legte die Handarbeit zur Seite und trat neben die Schwester.
„Aprilwetter!“, sagte sie
„Weißt du noch?“, kicherte Gina. „Die Hagelzuckerplätzchen vom Milchwagen?“
Elke grinste. „Ja, mit einem großen Glas Milch dazu!“ Sie legte der Schwester einen Arm um die Taille.
„Ist lange her!“, sagte sie.
„Stimmt, war aber schön!“, meinte Gina.
„Und lecker!“
Es hatte schon aufgehört zu hageln. Das Rotkehlchen nahm wieder seinen Platz an der Futterstation ein. Die Meise traute sich wohl noch nicht wieder aus ihrem Versteck.
Und die beiden Schwestern?
Träumten von Hagelzuckerplätzchen und einem großen Glas Milch.

© Regina Meier zu Verl

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„Schau, Opa, ich habe dir ein paar Muscheln vom Meer mitgebracht! So richtig kann ich mich nicht mehr an dich erinnern. Aber Mama erzählt so viel von dir und ich habe die Fotos. Ich werde dich niemals vergessen, das verspreche ich dir!“

(Meine Tochter war erst zweieinhalb, als mein Vater starb. Nun ist sie schon erwachsen. Wir reden noch oft von ihm und sie erinnert sich besonders an das Pflaster, das er an der Stirn hatte, als man ihm zwei Tage vor seinem Tod noch eine Gewebeprobe genommen hatte. Ich höre noch immer seine Stimme und manchmal stehe ich an seinem Grab und frage ihn um Rat. Ich bekomme immer eine Antwort – auf irgendeine Art und Weise.Das tröstet ein wenig.)

Morgen wäre sein 91. Geburtstag – er ist noch jeden Tag in meinen Gedanken!

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Ein Kindheitserinnerung

Wir wohnten auf einer Etage mit einer Familie, deren zwei Töchter schon erwachsen waren. Die beiden Mädchen kümmerten sich um uns, wenn meine Eltern mal nicht zu Hause waren und eine der beiden, Doris, hatte mich so ins Herz geschlossen, dass sie mich immer einlud, wenn ihre beste Freundin Käthe auch zu Besuch war.

Ich besuchte damals die Sexta des Städtischen Gymnasiums und fühlte mich mit meinen zehn Jahren schon sehr erwachsen, wenn ich zum Damenkränzchen mit Eierlikör und Salzstangen eingeladen wurde.

Der Abend wurde traditionell mit der Hitparade eingeläutet und wie gebannt starrten wir alle drei auf die Schwarz-Weiß-Mattscheibe.

Ich vergesse nie den Abend, an dem Christian Anders das erste Mal auftrat. Ich war hin und weg als er sang: „Geh nicht vorbei, als wär nichts geschehn, es ist zu spät um zu lügen!“

Sofort verkündete ich den beiden anderen, dass Christian von nun an der meine war und sie sich auf den Kopf stellen könnten, mir das auszureden.

Vier Wochen sparte ich für die Single, und ich hörte sie von da an täglich mindestens zwanzig Mal.

Meine Mutter fand das anfangs ganz amüsant, später durfte ich dann nur noch auf Zimmerlautstärke drehen und kostete es schamlos aus, wenn ich mal allein in der Wohnung war. Meine Zimmerwände waren beklebt mit Bildern und Postern, die ich sammelte und Doris, die damals schon die Bravo lesen durfte, schnitt mir jeden Artikel aus und sammelte sogar den Super-Star-Schnitt. Meine Güte, war ich glücklich.

Später änderte sich mein Musikgeschmack, spätestens, als „Eloise“ von Barry Ryan die Nummer eins in den Charts war. Aber auch diese Phase hielt nicht lange an.

Meine Mutter trauerte der Christian Anders Zeit hinterher, als ich anfing mich für Pink Floyd, Jethro Tull und Exception zu begeistern. Diese Begeisterung hat bis heute angehalten.

Die Schwärmerei für Christian Anders muss wohl mit dem Eierlikörchen zu tun gehabt haben, das ich schon damals trinken durfte.  Dass mir das aber ja niemand meinen Kindern verrät, denn den beiden habe ich kein Likörchen erlaubt bevor sie sechzehn waren…

© Regina Meier zu Verl

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2017-11-20 14.01.05

Das ist es nicht, das Perlonkleid, aber immerhin bin ich hier noch sauber.

Das gelbe Perlonkleid

Gerade habe ich mir alte Fotos angeschaut, Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die mein Vater mit seiner Vogtländerkamera geschossen hat. Damals hat er sich im Badezimmer eine Dunkelkammer eingerichtet und alle Bilder selbst entwickelt.
Wir Kinder sollten an solchen Fotolabortagen entweder gleich ins Bett gehen, weil unser Zimmer direkt hinter dem Bad lag, oder wir „mussten“ aufbleiben, bis Papa fertig war. Dieses Opfer haben wir nur allzu gern gebracht und unsere Mutter spielte mit.
„Ihr Armen, wie gern würdet ihr ins Bett gehen und leider dürft ihr nicht!“, pflegte sie zu sagen und wir nickten mit ernsten Gesichtern.
„Könnte ja sein, dass wir aufs Klo müssen und dann wären die ganzen Bilder verdorben“, erklärte ich meinen jüngeren Geschwistern. Das Klo befand sich nämlich nicht im Bad sondern außerhalb der Wohnung. Wir teilten es mit den Strothmännern, einer Familie, die auf der gleichen Etage wohnte wie wir. Irgendwie waren wir alle eine große Familie, denn mit den Strothmännern teilten wir nicht nur die Toilette, sondern auch die Badewanne. Samstags, am Badetag, war bei uns Hochbetrieb. Zuerst badete Familie Strothmann, einer nach dem anderen. Danach waren wir an der Reihe, immer nach dem Motto: Der Sauberste zuerst. Ich war leider ganz selten in der glücklichen Lage, als erste in die Wanne zu dürfen. Meine Schwester war einfach immer sauberer als ich und mein Bruder fing erst später an, sich schmutzig zu machen, da hatte ich die Spielphase im schwarzen Sennesand längst überwunden und schmückte mich mit gelben Perlonkleidchen.

Immer wieder schaue ich mir das Bild an, ich weiß noch genau, wie dieses Kleid aussah und wie es sich anfühlte. Das Muster war eingewebt und lag auf der Stoffoberfläche. Ja sogar den Geruch des zarten Kleidchens habe ich noch in der Nase, denn meine Mutter bügelte es nach der Wäsche immer mit einem nassen Tuch, das in Lavendelwasser getaucht war. Himmlisch!
„Kind, ich bitte dich, mach dich nicht so schmutzig“, sagte sie mit inbrünstiger Stimme, wenn ich es trug. Dabei war ich weit davon entfernt, mich in diesem Prinzessinnenkleid in den Wald oder Sandkasten zu begeben. Im Gegenteil, wie ein Mannequin spazierte ich auf der Straße entlang und blieb alle Nasen lang stehen, um mit Spucke meine Lackschuhe wieder auf Hochglanz zu bringen. Unsere Straße war eigentlich ein Weg, ein Sandweg und man kann sich vorstellen, dass schwarze Lackschuhe gerade mal drei Schritte lang glänzend blieben und dann von einem grauen Schleier überzogen wurden. Vom Abwischen wurden die Hände ziemlich schwarz und gleich danach auch das Gesicht, denn auf dem Land setzten einem die Fliegen doch ganz schön zu, manchmal wollten sie bis in die Nasenlöcher krabbeln und dann musste man sie schnell verscheuchen.

Wenn ein Nachbar sich auf der Straße sehen ließ, fasste ich das Kleidchen am Saum und hob es ein wenig an. Das hatte ich mal bei einer Schauspielerin gesehen und fand das einfach wunderbar. Anschließend wurde dann der bauschige Rock mit den Händen wieder geglättet.
Ich erinnere mich noch gut an den zornigen Blick meiner Mutter, wenn ich nach einem derartigen Ausflug wieder zu Hause ankam. Dann wurde ich ganz still und die Tränen zeichneten Straßen auf meine schmutzigen Wangen.
So richtig doll geschimpft hat meine Mutter aber nicht, das gute Kleid kam wieder in die Wäsche und schon am nächsten Tag duftete es wieder nach Lavendel. Ich war ein glückliches Kind, ja, das war ich.

© Regina Meier zu Verl

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Nachhilfe in Kirchensachen2012-12-21 13.25.21

(Ich denke noch oft an Maria)

„Ich war das jüngste von sechs Kindern, das einzige Mädchen. Min Vadder hatt sick nen Ast avfröiet, wann hi datt jewahr woarn is!“, erzählte Maria. „Meine Brüder waren viel älter als ich. Zwei von ihnen sind im Krieg gefallen und die anderen gingen in die Fabrik zur Arbeit. Was die da gemacht haben, da wurde bei uns nicht drüber gesprochen und wenn ich nachfragte, dann bekam ich immer die Antwort: Dat is nix for Froonslöid und schon gar nich for Kinners!“

Maria war also einerseits das jüngste Kind gewesen, andererseits musste sie aber bereits im Alter von zehn Jahren den Haushalt übernehmen, weil die Mutter starb.

„Ich weiß auch nicht, was usse leiwe Herrgott sich dabei denket hat. Das war doch nicht gerecht!“, sagte sie und ihre Augen wanderten ins Weite.

„Dann hattest du es sicher nicht leicht!“, sagte ich nach einer Weile. Maria wischte über ihre Augen und schon lächelte sie wieder.

„Ich bin ja noch hier, wie du siehst. Es ging schon! Übrigens habe ich einen Wunsch: Würdest du mal mit mir in die Kirche gehen? Ich möchte so gern eine Kerze anzünden!“

Den Wunsch konnte ich ihr nicht abschlagen.

„Klar, wann immer du möchtest!“

„Jetzt!“, sagte sie. „Sag mal, bist du eigentlich katholisch?“, wollte sie wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin evangelisch!“

„Da hab ich nix um bei. Wat usse Herrgott sähet hett, dat blöihet auk, egal, was da för en Noame dransteht!“

„Meinst du, dass mich der Herrgott gesät hat?“, fragte ich lachend.

„Sicher, wer denn sonst!“, behauptete Maria.

Wir machten uns fertig und fuhren dann zur Kirche, nicht ohne einen kleinen Abstecher auf den Friedhof zu machen. Maria zeigte mir die Gräber ihrer Familienangehörigen und an jedem betete sie ein kurzes Gebet.

„Mitmachen!“, forderte sie mich auf, als sie sich bekreuzigte und dann zeigte sie mir, wie man das macht. Wieder was gelernt.

 

© Regina Meier zu Verl

 

 

 

 

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Teil 4   (Ich denke noch oft an Maria)

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Gib eine Beschriftung ein

Morgens studierte ich immer zuerst die Zeitung, bevor ich zu Maria fuhr. Sie wollte nämlich stets wissen, was es so an Neuigkeiten aus der Region gab. Natürlich hatte sie auch eine eigene Zeitung, aber Maria gefiel es viel besser, wenn ich ihr erzählte, was so los war.

„Ich kann das dann besser behalten!“, klärte sie mich auf. „Weißte, ich bin so ein Ohrenmensch!“

„Ja, es gibt unterschiedliche Menschen, ich bin beispielsweise ein Augenmensch. Wenn ich mir etwas merken will, dann muss ich es aufschreiben, sonst vergesse ich es leicht.“, antwortete ich ihr.

„Habe ich längst gemerkt!“, behauptete Maria und lachte. „Du guckst immer so!“

„Wie gucke ich?“

„Na, wie so‘n Augenmensch eben, neugierig nennt man das wohl!“

„Und Ohrenmenschen sind nicht neugierig?“, fragte ich und fühlte mich doch tatsächlich ertappt. War ich wirklich neugierig? Bisher hatte ich mich selbst nicht so eingeschätzt.

„Doooch, Ohrenmenschen sind auch neugierig, aber am Allerschlimmsten sind die Nasenmenschen!“

Maria zog ihre Nase in Falten und schniefte laut. „Die kann ich gar nicht leiden, überall schnüffeln sie herum und machen Fisimatenten!“

„Kennst du viele Nasenmenschen? Gib mir mal ein Beispiel, bitte! Und was sind Fisimatenten?“, fragte ich sie und wartete gespannt ab.

Maria überlegte eine Weile, zog an ihren Ohrläppchen, wischte sich die Augen, rümpfte die Nase und legte die Stirn in Falten. Das dauerte ein paar Minuten, ich ließ sie in Ruhe nachdenken. Plötzlich strahlte sie.

„Nu hä ick dat vergeten, wo ick über nachdenken wullt!“

„Fisimatenten! Du wolltest mir sagen, was Fisimatenten sind!“

Maria strahlte noch immer.

„Dat sachte unser Vadder immer, wenn wir Blödsinn gemacht haben: Lasst doch diese Fisimatenten!“

Ich nahm mein Notizbuch und schrieb mir das Wort schnell auf.

„Du bist ein Augenmensch, ne! Kannste dir sonst wohl nicht merken, oder?“, lachte Maria und ich stimmte fröhlich mit ein.

„Stimmt, und du bist ein Ohrenmensch, und Nasenmenschen mögen wir beide nicht!“

© Regina Meier zu Verl

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Teil 3   (Ich denke noch oft an Maria)

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Maria hatte immer Hunger. Sie war eine zierliche Person und ich wunderte mich oft, wo diese Mengen an Essen blieben. Man sah es ihr nicht an, dass sie ein so guter Futterverwerter war. Sie bevorzugte alles, was sie mit einem großen Löffel vom Teller schaufeln konnte. Also kochte ich abwechslungsreiche Eintopfgerichte, mundgerecht.

Bei der Zubereitung half sie gern. Am liebsten schälte sie die Kartoffeln in kleine Würfel. Ich musste aufpassen, dass sie in ihrem Eifer nicht zu viele Kartoffeln verarbeitete, denn sie hatte ja immer für eine große Familie gekocht und hatte nun das Maß verloren.

An dem Tag, von dem ich heute erzähle, gab es Bohneneintopf mit frischem Suppengemüse aus dem Garten und herrlich duftendem Bohnenkraut. Um Maria eine Freude zu machen, hatte ich Hähnchenfleisch mitgebracht, das ich in Pfanne in kleinen Stückchen angebraten hatte. Kurz bevor der Eintopf fertig war, legte ich das Fleisch mit in den Topf und schloss den Deckel, damit es noch eine Weile durchziehen konnte. Dann schlug ich Maria vor, noch einen kleinen Rundgang durch den Garten zu machen.

„Nee, das mach du mal allein, ich bin heute schon so viel herummarschiert, ich will mich ausruhen!“, sagte sie und ließ sich auch nicht umstimmen.

„Na gut, dann mache ich noch schnell die Betten, danach können wir dann essen!“ Ich ging ins Schlafzimmer und brauchte ungefähr zehn Minuten.

Als ich in die Küche zurückkam, stand Maria vorm Herd, den großen Löffel, den sie in der Hand hatte, warf sie mit einem Schwung in die Spüle, die drei Schränke weiter stand. Dann drehte sie auf dem Absatz um und rannte zu ihrem Platz auf der Eckbank.

„Ich war das nicht!“, behauptete sie, dabei hatte ich noch gar nichts gesagt. War ja auch nicht schlimm, sie durfte probieren, so viel sie wollte.

Angestrengt schaute sie anschließend auf ihre Hände, so als gäbe es da etwas Wichtiges zu sehen. Sie fühlte sich ertappt und ich musste innerlich grinsen. Wie ein kleines Kind, das etwas Schlimmes gemacht hat benahm sie sich.

„Können wir jetzt endlich essen?“, fragte sie nach einer kurzen Schweigeminute.

„Klar!“ Ich holte die Suppenkelle, stellte einen Untersetzer auf den Tisch und wollte ihr den Teller füllen. Ich staunte nicht schlecht, als ich im Topf nicht ein einziges Stückchen Fleisch mehr vorfand. Es waren drei Hähnchenschnitzel drin gewesen, vor zehn Minuten noch. Maria hatte sie verputzt ohne mit der Wimper zu zucken.

Als sie das Gebet gesprochen hatte und wir uns einen guten Appetit wünschten, schaute sie irritiert auf den Teller und sagte: „Kind, in einen Eintopf gehört ein gutes Stück Fleisch, denk nächstes Mal dran. Ich esse am liebsten Geflügel!“

Ich konnte mich nun nicht mehr zusammenreißen und lachte lauthals los. Maria lachte mit.

„Ist doch nicht so schlimm!“, tröstete sie mich. „Das lernste auch noch!“

 

© Regina Meier zu Verl

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Als ich Kind war, spielte ich mit meinen Freunden in einem nahe gelegenen Wald. Wir bauten Buden und konnten uns stundenlang dort aufhalten. Jeder von uns hatte einen eigenen Baum, auf den nur er klettern durfte. Mein Baum war eine Eiche. sie war nicht so schön gerade nach oben gewachsen, sondern etwas kurz geraten und knorpelig, was für mich aber prima war, da ich als Kind immer voller Ängste war, dass ein Ast brechen könnte oder ich herunterfalle. Ich thronte dann auf meinem kleinen Eichbaum und fühlte mich wie die Königin der Welt.
Vor ein paar Jahren habe ich den Baum zum ersten Mal wieder gesucht und auch gefunden. Groß ist er geworden, aber noch immer unverkennbar verknorpelt und anders als andere. Das Gedicht ist auch schon ein paar Jahre alt – heute kam es mir in den Sinn – habe wohl heute meinen sentimentalen Baumtag.

Ich habe in deinem Schatten gesessen,
geträumt und oft die Zeit vergessen.
In deine Rinde hab ich geschluchzt,
unter dem Dach aus Blättern Zuflucht gesucht.
Meine Sorgen, meine Freuden erzählte ich dir,
ein Gefühl von Geborgenheit fand ich hier.

Du bist noch da, verändert – wie ich,
nach so vielen Jahren besuche ich dich.
Musstest du an deinem Platze stehn,
zog ich aus, um die Welt zu sehn.
Suchte ein Heim, um Wurzeln zu schlagen,
doch dort wo ich bin, kann ich’s kaum ertragen.

Die Kraft und die Ruhe, die dich umgibt,
habe ich schon als Kind geliebt.
Und schnitt ich einst Herzen in deine Rinde,
verzeih mir, dem unwissenden Kinde.
Das, was ich gern hätte, wirst du es mir geben,
Kraft, Würde, Hoffnung – neue Freude am Leben?

© Regina Meier zu Verl / ca. 1984

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Wie von selbst
gleitet die Feder übers Papier,
schreibt Worte, Sätze, Gefühle auf,
die sie nicht vergessen möchte.
Einst schrieb er diese Gedanken für sie
mit schwarzer Tinte auf weißem Büttenpapier.
Wie ihren Augapfel hat sie gehütet,
was ihr von ihm blieb.
Dann fing sie an,
seine Worte abzuschreiben,
so als habe sie Angst,
dass die Tinte verblassen könnte
und die Gedanken,
seine Gedanken
mitnähme in die Ewigkeit
des Vergessens.
Sie erinnert sich an nichts mehr,
weiß nicht, dass sie Mutter ist,
hat vergessen,
dass die Kinder in die Welt zogen
und sie allein zurückblieb.
Wenn man sie bei ihrem Namen nennt,
schaut sie erstaunt aus großen traurigen Augen
und lächelt mechanisch.
Sie ist längst nicht mehr hier
bei uns.
Sie ist bei ihm
und ihre Hände halten die Feder,
die seine Worte schreibt
Tag für Tag

© Regina Meier zu Verl

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