Als ich Kind war, spielte ich mit meinen Freunden in einem nahe gelegenen Wald. Wir bauten Buden und konnten uns stundenlang dort aufhalten. Jeder von uns hatte einen eigenen Baum, auf den nur er klettern durfte. Mein Baum war eine Eiche. sie war nicht so schön gerade nach oben gewachsen, sondern etwas kurz geraten und knorpelig, was für mich aber prima war, da ich als Kind immer voller Ängste war, dass ein Ast brechen könnte oder ich herunterfalle. Ich thronte dann auf meinem kleinen Eichbaum und fühlte mich wie die Königin der Welt.
Vor ein paar Jahren habe ich den Baum zum ersten Mal wieder gesucht und auch gefunden. Groß ist er geworden, aber noch immer unverkennbar verknorpelt und anders als andere. Das Gedicht ist auch schon ein paar Jahre alt – heute kam es mir in den Sinn – habe wohl heute meinen sentimentalen Baumtag.
Ich habe in deinem Schatten gesessen,
geträumt und oft die Zeit vergessen.
In deine Rinde hab ich geschluchzt,
unter dem Dach aus Blättern Zuflucht gesucht.
Meine Sorgen, meine Freuden erzählte ich dir,
ein Gefühl von Geborgenheit fand ich hier.
Du bist noch da, verändert – wie ich,
nach so vielen Jahren besuche ich dich.
Musstest du an deinem Platze stehn,
zog ich aus, um die Welt zu sehn.
Suchte ein Heim, um Wurzeln zu schlagen,
doch dort wo ich bin, kann ich’s kaum ertragen.
Die Kraft und die Ruhe, die dich umgibt,
habe ich schon als Kind geliebt.
Und schnitt ich einst Herzen in deine Rinde,
verzeih mir, dem unwissenden Kinde.
Das, was ich gern hätte, wirst du es mir geben,
Kraft, Würde, Hoffnung – neue Freude am Leben?
© Regina Meier zu Verl / ca. 1984
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