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Archive for Dezember 2019

13. Dezember
In einem weiteren Türchen fand sich ein Notenschlüssel, hier ist die Geschichte dazu:

Ohne Fleiß kein Preis
Tim hat Jule bei Frau Müller kennen gelernt. Frau Müller ist die Musiklehrerin und Jule hat immer eine Stunde vor Tim Klavierunterricht.
Er wartet vor der Tür, damit er nicht stört. Erst, wenn sie aufgehört haben zu spielen, klopft er leise an die Tür.
„Komm nur herein, Tim“, sagt Frau Müller dann und Tims Herz klopft ein bisschen schneller.
Er reicht Frau Müller die Hand und macht einen kleinen Diener und dann begrüßt er Jule, die er heimlich bewundert. Sie kann nämlich nicht nur wunderbar Klavier spielen, sie ist auch noch das schönste Mädchen, das er je gesehen hat.
„Hast du vielleicht Lust, einmal mit Jule gemeinsam ein Weihnachtslied einzuüben?“, fragt Frau Müller ihn heute, doch Tim hat gar nichts verstanden. Er schaut das Mädchen an und vergisst die Welt um sich herum.
„Tim, ich habe dich etwas gefragt!“
„Wa-wa-was denn?“, stammelt Tim und wird rot im Gesicht. Frau Müller tut so, als habe sie das nicht bemerkt.
„Ich möchte wissen, ob du mit Jule gemeinsam ein Stück spielen möchtest, vierhändig.“ Jule lächelt und nickt Tim aufmunternd zu. Er hat sich mittlerweile ein wenig gefangen und antwortet:
„Ja, gern. Aber kann ich das denn schon?“
„Sicher kannst du es, wenn du fleißig übst. Ich gebe dir heute die Noten und wir arbeiten gemeinsam daran. Nächste Woche kommst du dann einfach eine Stunde früher und ihr beide habt gemeinsam Unterricht. Ist das in Ordnung?“
„Von mir aus gern“, sagt Jule und packt ihre Notenhefte in die Tasche.
Tim ist vor Freude ganz aufgeregt und nimmt sich vor, diese Woche tüchtig zu üben, damit er mit Jule mithalten kann. Das Mädchen verabschiedet sich und Frau Müller stellt Tim das neue Lied vor. Es klingt wunderbar und Tim ist Feuer und Flamme. Am Ende der Klavierstunde gelingt es ihm schon ganz gut, im Takt zu bleiben und das Musikstück mit Frau Müller gemeinsam zu spielen.
In der folgenden Woche übt er jeden Tag eine halbe Stunde mittags, wenn er aus der Schule kommt und am Abend noch einmal ein paar Minuten.
Mama und Papa staunen, weil sie doch sonst immer sagen müssen:
„Tim, du musst noch Klavier üben!“, worauf Tim dann meist maulend und unlustig auf den Tasten herumklimpert. Plötzlich ist alles anders. Tim hat ein Ziel und es fühlt sich ganz wunderbar an zu spüren, dass man mit Fleiß eine Menge erreichen kann. Den Preis für seine Arbeit bekommt er, als er in der nächsten Woche gemeinsam mit Jule am Klavier sitzt und ihr so nah ist wie noch nie.
Frau Müller ist begeistert und klatscht vor Freude in die Hände.
„Kinder, das machen wir jetzt öfter!“, jubelt sie und ahnt nicht, welche Freude sie Tim damit macht. Oder doch?

Beim Weihnachtskonzert in der Schule treten Jule und Tim gemeinsam auf. Sie spielen die schönsten Weihnachtslieder und bekommen eine Menge Applaus.

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12. Dezember

In einem weiteren Türchen fand Oma einen Tannenzapfen, folgende Geschichte erzählte sie dazu:

Kiefernzapfen, jede Menge

Leo und Lina haben Kiefernzapfen gesammelt. Sie tun geheimnisvoll, als Mama fragt, was sie denn mit den vielen Zapfen basteln wollen.
„Das wirst du dann schon sehen!“, sagen sie und kichern. „Auf jeden Fall wird nichts gebastelt, wir helfen der Umwelt!“, behaupten sie und ziehen sich mit ihren Zapfen ins Gartenhaus zurück.
„Mama wird staunen“, freut sich Lina. „Und Papa und Oma und Opa auch.“
Leo kichert wieder. „Alle werden sie staunen. Bald.“
Lina schüttelt entschieden den Kopf.
„Von bald kann keine Rede sein. Du hast doch gehört, was Herr Norden gesagt hat, es braucht viel Geduld!“
Jetzt kommen die Jogurtbecher zum Einsatz. Tagelang haben Lina und Leo gesammelt.
„Dann erfüllen sie wenigstens noch einen Zweck!“, hatte Leo gemeint, denn zu viele Plastikbecher sind nicht gut für unsere Umwelt und Mama war dazu übergegangen, Jogurt in großen Gläsern zu kaufen, die man wiederverwenden konnte. Gut so.
Die Geschwister haben jeden Becher, den sie noch erwischen konnten, an sich genommen, denn sie haben viele Tannenzapfen gesammelt, die verarbeitet werden wollen. Wenn sie Glück hatten, dann würde aus jedem Zapfen in den Joghurtbechern ein kleines Tannenbäumchen heranwachsen. So viele Tannen!
„Ob unsere Becher da überhaupt reichen?“ Besorgt blickt Lina auf die Bechersammlung.
Die beiden Kinder füllen die Becher mit Gartenerde und legen dann jeweils einen Tannenzapfen auf die Erde. Anschließend besprühen sie jeden Zapfen mit Mamas Blumenspritze, die sie heimlich „ausgeliehen“ haben und schon bald ist ein kleines Tannenzapfenwäldchen entstanden. Jetzt kommt das Moos zum Einsatz, das sie im Garten gefunden haben und nun liebevoll auf die Erde rundum die Zapfen legen.
„Sie sollen sich doch wohlfühlen!“, meint Lina.
„Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen“, sagt Leo und Lina grinst.
„Leo, du weißt doch, dass wir viel Geduld brauchen werden, das geht nämlich nicht so ruckzuck, es braucht Zeit!“, klärt Lina ihn nochmals auf.
„ Stimmt!“ Leo nickt und klatscht voller Vorfreude in die Hände.
„Mama wird staunen. Ein tolles Geschenk wird das sein. Ein wundertolles sogar. Ich …“ Er bricht ab, blickt über den Gartentisch, der fast ganz zugestellt ist mit Bechern, in denen auf Erde Tannenzapfen thronen, und wird blass. „Wo sollen wir die denn vor Mama verstecken? Es sind ja so viele!“
Aufgeregt blickt er seine Schwester an.
„Wir erteilen ganz einfach „Gartenhausverbot“, bis Weihnachten sind es ja noch ein paar Wochen, vielleicht zeigen sich dann schon die ersten Sprösslinge.“, sagt Lina bestimmt.
„Und du meinst, dass Mama sich einfach so an das Verbot halten wird?“ Leo ist skeptisch.
„Sie muss!“, ruft Lina. „Wir machen ein Schild an die Tür und wir bitten Opa um Hilfe, der muss aufpassen, dass Mama nicht heimlich ins Häuschen geht!“
„Puh! Das wird schwer!“ Leo blickt seine Schwester zweifelnd an. „Was, wenn Mama nochmal im Garten arbeiten will?“
„Es ist Winter! Da hat Mama nichts mehr im Garten zu tun.“ Lina ist sich sicher.
Leo ist es nicht. Er denkt an die Tulpen- und Narzissenzwiebeln, die gestern in einem Paket gekommen sind und die Mama noch „in die Erde bringen will“, wie sie selbst gesagt hat.
„Dann decken wir den Tisch einfach ab mit einer großen Plane! Ich frage mal Opa, der hat immer gute Ideen!“, sagt Lina und Leo ist stolz auf seine Schwester. Meist hat sie eine Lösung, wenn ein Problem auftritt, auch wenn die Lösung immer wieder Opa heißt!
„Bei den Blumenzwiebeln können wir ja helfen!“, beschließen die Geschwister und dann machen sie sich auf zu Opa.
„Kinder! Kinder!“, sagte Opa später. „Ihr macht Sachen! Hmm! Lasst mich nachdenken.“
Er runzelt die Stirn und denkt nach. Lange. Und Lina und Leo runzeln auch die Stirn und denken auch nochmal nach.
„Wie viele Bäumchen habt ihr nochmal gepflanzt?“, fragte Opa dann. „Und wo im Garten wollt ihr sie später, nach Weihnachten, pflanzen?“
„24 sind es!“, sagt Lina stolz.
„Hinter dem Rasen in die Blumenbeete. Dort ist Platz!“ sagt Leo.
„Hm!“ macht Opa wieder. „Und wie groß werden eure Tannen einmal sein? Übrigens sind es keine Tannen, sondern Kiefern!“
„Sehr groß!“, freut sich Lina.
„Wie ein kleiner Wald!“, ruft Leo.
„Hm!“ Mehr sagt Opa nicht mehr und Lina sieht plötzlich einen großen, dichten Wald, der hinter dem Rasen hoch und dunkel aufragt. Gigantisch sieht der aus. Ein bisschen unheimlich auch. Und plötzlich gefällt ihr die Idee mit den vielen Tannen gar nicht mehr.
„Hm!“, sagt auch sie. „Ich glaube, so viele große Tannen würden Mama keine Freude machen.“
„Aber 24 kleine schon“, wirft Leo schnell ein. „Ein paar könnten wir ja auch verschenken.“
„Das ist eine gute Idee“, findet Lina. „Da es genau 24 Zapfen sind, können wir an jedem Tag im Advent eines verschenken.“
Genauso machen es die Geschwister und viele, viele Leute in der Nachbarschaft freuen sich, als es bei ihnen klingelt und die beiden Kinder mit einem Zapfenbecher vor der Tür stehen und singen:
„Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie treu sind deine Blätter!“

 

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11. Dezember 2019

11. Dezember

Fortsetzung 2 (Der Schatz im Schreibtisch)

Warum war ihr das niemals zuvor aufgefallen? Vorsichtig betastete Linda die Stelle. Sie nahm einen Brieföffner und versuchte behutsam, das Papier zu lösen. Das ging ganz leicht, denn der Klebstoff war schon alt und brüchig. So gelang es, unter das dickere Papier zu schauen, ohne es zu beschädigen. Zum Vorschein kam ein kleiner goldener Schlüssel. Linda wusste sofort, dass dies der Schlüssel zur Schreibtischschublade sein musste, die für sie immer verschlossen geblieben war. Sie wunderte sich, dass sie die Unebenheit im Buch noch nie gespürt hatte. So oft hatte sie es zur Hand genommen, immer wieder, Jahr für Jahr, und erst heute entdeckte sie diesen Schlüssel.
Mit klopfendem Herzen steckte sie ihn in das Schloss: Mühelos konnte Linda die Schublade öffnen. Hier fand sie eine große Zigarrenschachtel, die mit einer roten Schleife verziert war. Sie hob den Deckel ab und entdeckte Briefe, viele Briefe. Auf jedem Umschlag stand ihr Name. „Für Linda“, las sie. Hinter ihren Namen hatte der Großvater eine Jahreszahl geschrieben. So gab es von Lindas Geburt an für jedes Jahr einen Umschlag, fein säuberlich sortiert.
Linda konnte ihr Glück nicht fassen. Vierundzwanzig Briefe von ihrem Großvater, einer für jedes Jahr, das sie gemeinsam erlebt hatten. Eine magische Zahl, die sie immer verbunden hatte. Vierundzwanzig Tage im Advent, vierundzwanzig musizierende Engel am Weihnachtsbaum, es war einfach unglaublich schön. Linda hatte einen Schatz gefunden.
Nachdem sie die Briefe eine Weile nur betrachtet hatte, wagte sie es, den ersten zu öffnen. Als sie die ersten Worte las, musste sie ihn aber wieder zur Seite legen, denn ihre Augen füllten sich mit Tränen, Freudentränen.
„Liebe Linda, so glücklich wie an dem Tag deiner Geburt war ich davor nur zweimal in meinem Leben, nämlich an dem Tag, als ich deine Oma Marie kennenlernte und als deine liebe Mutter geboren wurde. Nun bist du also da, und ich freue mich auf jede Minute, die wir miteinander verbringen werden …“
Linda las an diesem Abend nur einen einzigen Brief. Viel zu kostbar war der Schatz, den der Großvater ihr hinterlassen hatte, als dass man ihn an einem Abend betrachten könnte. Sie las also 24 Tage lang jeweils einen Brief. Den kleinen goldenen Schlüssel trug sie fortan an einer Kette immer bei sich.

Ende

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10. Dezember

Fortsetzung 1 (Der Schatz im Schreibtisch)

„Sie sind in unseren Herzen, das ist das Wichtigste!“, hatte die Mutter am Abend gesagt, und das stimmte auch. Linda hatte das Gefühl, dass die beiden ganz nah waren, besonders der Großvater, mit dem sie so viel Zeit verbracht hatte. Wenn im Haus alles still war, dann glaubte sie sogar, seine Stimme hören zu können. Immer wieder las sie die kleinen Gedichte und Geschichten, die sie gemeinsam erdacht und aufgeschrieben hatten.
Großvater Josef hatte sie alle handschriftlich in einem Büchlein zusammengefasst und mit kleinen Zeichnungen ergänzt, um sie für Linda zu erhalten. Es lag stets griffbereit in der obersten Schublade des Schreibtisches, gleich neben der Geheimschublade, die immer verschlossen war. Was sich darin befand, wusste Linda nicht, auch hatte sie nie versucht, das Schubfach zu öffnen, denn es gab keinen Schlüssel und sie wollte den wertvollen Schreibtisch nicht beschädigen. Sicher wäre es dem Großvater auch nicht recht gewesen.
Andererseits hatte er ihr ja den Schreibtisch zugedacht und es hätte sein können, dass der Inhalt für sie, Linda, bestimmt war.
Auch an diesem Abend blätterte Linda wieder in dem Buch ihres Großvaters, las die Gedichte und fühlte sich zurückversetzt in die Kindheit. Sie erinnerte sich daran, dass sie in einem Jahr aus stabiler Goldfolie Engel ausgeschnitten hatten, die später den Weihnachtsbaum schmückten. Jeder Engel spielte ein Instrument. Es gab Geigen-, Flöten– und Harfenengel, singende und tanzende, lachende und ernste Figürchen, ein jedes für sich wunderbar. Im Licht der Kerzen bewegten sie sich und wenn man ganz genau hinhörte, dann konnte man ihrer Musik lauschen. Linda erinnerte sich sehr gut daran, als sie die Geschichte der vierundzwanzig musizierenden Engel las. Einer von ihnen hatte die Engelschar mit einem Streich ganz schön durcheinandergewirbelt. Beim Krippenspiel des Kindergartens hatte er sich einfach in die Krippe gelegt und Maria und Josef völlig aus dem Konzept gebracht. Nur diese beiden Kinder hatten ihn sehen können, deshalb konnte sich auch niemand erklären, warum die Kinder ihren Text plötzlich vergessen hatten. Bei der Generalprobe war doch alles noch so gut gelaufen. Natürlich nahm ihnen niemand ab, dass das Christkind höchstpersönlich in der Krippe gelegen hatte. Erwachsene glaubten nur, was sie sahen. Nicht einmal der Pastor hatte ihnen geglaubt. Die beiden Kinder, die Maria und Josef darstellten, hatten es aber wirklich gesehen, das Christkind, und es hatte sie sogar angelächelt.
Linda war es ganz warm ums Herz geworden, als sie auf der letzten Seite des Buches angekommen war. Unzählige Male hatte sie es gelesen und immer wieder war es wie ein Ausflug in die Kindheit gewesen. Zärtlich strich sie über die Seiten, und plötzlich fühlte sie eine Unebenheit auf der allerletzten Einbandseite.

Fortsetzung folgt morgen

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9. Dezember
Die folgende Geschichte ist ein wenig länger geraten. Im Adventskalender war ein kleiner Schlüssel versteckt. Was es damit auf sich hat, erfahrt ihr in den nächsten drei Tagen, denn zu viel Text in einem Kalendertürchen ist auch nicht gut, oder?
Als, hier geht es los:

Der Schatz im Schreibtisch

In Lindas Zimmer stand seit Jahren der alte Schreibtisch ihres Großvaters. Eigentlich war dieses Möbelstück viel zu groß und zu wuchtig für den kleinen Raum. Doch Linda hatte entschieden, dass er in ihr Zimmer gehörte und sie lieber auf etwas anderes verzichten wollte. Sie liebte den Schreibtisch mit seinen vielen Schubladen und Geheimfächern, beinahe so sehr, wie sie ihren Großvater geliebt hatte. Ihre Eltern sagten, dass da wohl ein Generationensprung vorliegen müsste, denn das Mädchen glich in vielen Dingen ihrem Großvater. Sie schrieb Gedichte, sie malte, sie interessierte sich für Pflanzen und Tiere und sie war eine richtige Weihnachtstante.
Großvater Josef war Zeit seines Lebens ebenfalls an all diesen Dingen interessiert gewesen und er hatte ein großes Wissen über Flora und Fauna gehabt. Das ganze Jahr über war er aktiv im Garten, oder er machte lange Spaziergänge. Er wanderte mit seiner hölzernen Staffelei zu den verschiedensten Orten und malte stundenlang Landschaften, Bäume, Pflanzen und Tiere. Dazu hatte er immer Lust, und als seine Enkeltochter ebenfalls ihre Liebe zum Malen entdeckte, nahm er sie mit. So lernte Lina schon früh, wie man einem Bild Tiefe verleihen konnte, so dass man anschließend das Gefühl hatte, mit einem Schritt in die Landschaft einzutauchen und immer wieder dort sein zu können, wo es einem besonders gut gefallen hatte.
Wenn die Abende länger wurden und es auf die Adventszeit zuging, erwachte die nächste gemeinsame Leidenschaft. Es wurde gebastelt, gemalt, gesungen und gedichtet. Während die Großmutter in der Küche Plätzchen backte, saßen Opa Josef und seine Enkelin Linda im Wohnzimmer an dem klobigen Schreibtisch und stellten die wunderbarsten Dinge her. Manchmal waren es geheime Dinge, die niemand sehen durfte, Geschenke für Oma oder für die Eltern zum Beispiel. Die wurden dann in den Schubladen des Schreibtisches versteckt. Andere Basteleien wiederum kamen sofort zum Einsatz, etwa für die Weihnachtsdekoration in den Fenstern des gesamten Hauses. Immer wieder hatten die beiden neue Ideen, und wenn dann das Weihnachtsfest gekommen war, dann glitzerte und strahlte das ganze Haus. Ach, wie gemütlich das war.
Wenn Linda später, als sie längst erwachsen war, mal wieder ein paar Tage bei den Eltern verbrachte, saß sie oft an dem Schreibtisch und erinnerte sich an die glückliche Zeit mit den Großeltern. Auch in diesem Jahr hatte sie wieder ein paar Tage im Haus ihrer Kindheit eingeplant. Mit ihren Eltern hatte sie einen gemütlichen Abend verbracht. Die Mutter hatte den alten Weihnachtsschmuck aufgehängt und alles war so wie früher, als Linda noch ein Kind gewesen war. Nur die Großeltern fehlten.

Fortsetzung folgt morgen …

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8. Dezember
Nachdem ich die Geschichte von Willi angehört hatte, dachte ich darüber nach, dass auch meine
Oma Betty eines Tages nicht mehr bei mir sein würde. Kein schöner Gedanke, aber so ist das Leben, irgendwann müssen wir uns verabschieden, auch wenn es noch so weh tut.
Aber ich will jetzt gar nichts Trauriges hier sagen, denn schließlich freuen wir uns auf Weihnachten und Oma Betty hat noch jede Menge zu erzählen. Ich bin gespannt, was heute passieren wird!
Ein Päckchen befand sich im Adventskalender, na dann!

Geteilte Freude ist doppelte Freude

In der Schule gibt es einen Adventskalender. Vierundzwanzig Kästchen hängen an einem dicken Seil direkt über der Tafel. Jeden Tag darf eines der Kinder ein Päckchen öffnen und nach dem Wochenende sind es sogar drei Schüler, die an der Reihe sind.
Die Reihenfolge wurde ausgelost. Gut ist, dass es in der zweiten Klasse genau 24 Kinder gibt, schlecht ist, dass Michel die 24 gezogen hat und das ärgert ihn, wo er doch so neugierig ist. Aber da hilft nichts, er muss sich gedulden, eine gute Übung.
„Dafür ist dann gleich danach Heiligabend!“, tröstet ihn Jenny, die schon am zweiten Tag dran ist. Sie hat gut reden, denkt Michel und zieht eine Schnute. Oh, wie süß Jenny das findet, wenn Michel eine Schnute zieht. Zum Verlieben süß, Jennys Herz macht lauter kleine Hüpfer.
„Du, Michel“, flüstert sie.
„Ja, was denn?“, fragt der und er ärgert sich immer noch und es ärgert ihn auch, dass Jenny gar nicht mit dem Thema aufhören will.
„Wir könnten tauschen!“, schlägt Jenny vor und plötzlich hüpft Michels Herz so komisch. Diese Jenny ist eine Wucht, er fand sie vom ersten Tag an super.
„Das würdest du für mich tun?“, fragt er und wird ein bisschen rot im Gesicht, das steht ihm gut.
„Klar!“ Jenny grinst, für Michel würde sie alles tun.
„Perfekt – aber dann musst du ja so lange warten, das wäre nicht nett von mir.“ Jenny drückt Michel ihre Nummer zwei in die Hand.
„Nun mach schon, gib mir deine Nummer, muss ja keiner merken, nicht wahr?“ Sie tauschen und als Michel am zweiten Tag sein Päckchen öffnet und darin zwei Dominosteine, zwei Zimtsterne und zwei supersaure Kaugummikugeln findet, teilen die beiden den Schatz und dann warten sie gemeinsam auf den Tag, an dem Michel sein Adventspäckchen erhält. Sie werden wieder teilen, das steht fest.
„Geteilte Freude ist doppelte Freude, oder so ähnlich!“, lacht Jenny am letzten Schultag vor Weihnachten.
„Bingo!“, sagt Michel und dann drückt er seiner Jenny einen dicken Schmatzer auf die Wange. Dann wird er wieder ein bisschen rot und das steht ihm wirklich sehr gut.

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7. Dezember

Hinter einem weiteren Türchen im Adventskranz verbarg sich ein Engel. Wir hatte nun schon die Glocken, das Schufchen … äh, Schäfchen meine ich, die Gänse Gabriel und Günter, die kleine weiße Kerze und Oma Sockes Geheimnis, worum geht es denn heute?
Das scheint nur so

Willi war gerade mal zehn Jahre alt, als es zum ersten Mal passierte. Er maß dem keine Bedeutung bei, erst viel später erinnerte er sich daran.
Auf dem Schulhof war die kleine Grete heftig gestürzt. Ihr Knie blutete und sie weinte jämmerlich. Um sie herum stand eine Traube von Kindern. Keines wusste, was zu tun war und der Lehrer Zimmermann war gerade mit einer Rangelei der älteren Jungen beschäftigt. Willi, der Grete kannte, weil sie in seiner Nachbarschaft wohnte, trat zu ihr und beruhigte sie mit leisen Worten.
„Ist nicht so schlimm, komm, leg deine Hände um meinen Hals, dann trage ich dich zum Sekretariat. Dort wird man dein Knie versorgen.“
Grete legte die Hände auf Willis Schulter und ließ sich von ihm tragen, die anderen Kinder traten einen Schritt zurück und ließen die beiden durch. Die nette Schulsekretärin säuberte die Wunde und legte einen Verband an. Grete weinte, aber Willi wich nicht von ihrer Seite. Das tat gut!
„Danke, Willi, du bist ein Engel!“, flüsterte Grete in sein Ohr, als sie später gemeinsam zum Klassenraum gingen.
„Das scheint nur so!“, sagte Willi beschämt, aber er freute sich auch, denn Engel sind ja etwas Schönes und für Grete wollte er gern ein Engel sein und sie beschützen, wenn es nötig war.

Ein anderes Mal hatte sich die Nachbarin aus ihrer Wohnung ausgesperrt. Da stand sie mit ihrem Baby vor der Tür und wusste nicht, was sie machen sollte. Ein Handy hatte sie nicht, das gab es damals noch nicht und weit und breit war kein Mensch zu sehen, der ihr hätte helfen können. Willi kam gerade vom Fußball zurück, es war kalt und er freute sich auf ein heißes Bad, als er die Nachbarin entdeckte, die verzweifelt ausschaute und deren Baby jämmerlich weinte.
„Was ist passiert?“, rief er ihr zu und wechselte die Straßenseite, um ihr näher zu sein.
„Ich habe mich ausgesperrt und nun weiß ich nicht, was ich machen soll. Das Baby hat Hunger und mein Mann kommt erst am Abend heim. Sowas Dummes aber auch!“ Die Frau weinte nun auch, nicht so laut wie das Kind, aber doch mit dicken Tränen.
Willi lud die Frau ein, mit zu ihm zu kommen. „Meine Eltern sind zwar nicht zu Hause, aber das geht schon in Ordnung, wir kennen uns doch!“, sagte er. „Vielleicht können Sie ihren Mann anrufen!“, schlug er vor und schloss die Haustür auf.
„Danke, Willi!“, sagte die Frau, als sie kurze Zeit später in der warmen Stube von Willis Eltern saß und ihr Baby stillte. Willi war etwas verlegen, aber was sein musste, musste sein.
Als die Nachbarin nach einer Stunde von ihrem Mann abgeholt wurde, sagte sie: „Willi, du bist ein Engel!“ Verlegen antwortete er: „Das scheint nur so!“

So zogen sich kleine Hilfestellungen für anderen durch Willis Leben. Er heiratete, wurde Vater und engagierte sich in Kindergarten und Schule und immer wieder gab es Ereignisse, nach denen andere zu ihm sagten: „Willi, du bist ein Engel“ und stets antwortete er: „Das scheint nur so!“

Einmal saß er in der Kirche und hörte aufmerksam den Worten des Pastors zu, der sagte: „Engel sind mitten unter uns. Man erkennt sie nicht an ihren rauschenden Goldhaaren oder weißen Gewändern. An ihren Handlungen kann man sie wahrnehmen und ihre Anwesenheit spüren. Sie sind an unserer Seite und beschützen und helfen uns.“
Willi wurde verlegen, als seine Frau seine Hand nahm und fast unmerklich nickte, so als wollte sie sagen: „Willi, du bist mein Engel!“ Willi lächelte und zum ersten Mal fühlte er keinen Widerspruch in sich. Gern wollte er ihr Schutzengel sein und er war es immer für sie und viele andere gewesen. Daran sollte sich nichts ändern.
Und das tat es auch nicht und so, wie wir alle eines Tages gehen müssen, musste auch Willi im hohen Alter diese Welt verlassen. Als er die Himmelspforte erreichte und Petrus zu ihm sagte:
„Willi, du bist ein Engel!“, widersprach er nicht. „Ja, das bin ich!“, antwortete er und macht sich auf, im Himmel nach seinen Angehörigen zu suchen, die ihm vorausgegangen waren.

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6. Dezember

Wo meine Oma Betty die Geschichten alle hernimmt, das weiß ich auch nicht. Sie können doch nicht alle in ihrem Kopf sein. Das ist nahezu unmöglich. Ich habe mal nachgemessen, Omas Kopf ist gar nicht so viel dicker als meiner. Oma sagt ja, dass es nichts mit dem Kopfumfang zu tun hat. Na ja, eigentlich ist es egal, ich hoffe jedenfalls sehr, dass ihr die Geschichten nicht ausgehen werden. Im 6. Türchen fand Oma damals einen Nikolaus, das ist ihre Geschichte dazu.

Oma Socke
In unserer kleinen Stadt kannte sie jeder. Ihren richtigen Namen wusste aber fast niemand, jeder nannte sie Oma Socke. Vermutlich hatte sie für jedes Kind unserer Stadt und manchen Erwachsenen Socken gestrickt und diese Socken waren die besten und wärmsten der Welt. Ich weiß das genau, denn auch ich habe so ein Paar Socken besessen und sie gehütet wie meinen Augapfel.
Ihr denkt jetzt sicher, dass es ganz großer Quatsch ist, denn auch andere Menschen können Socken stricken und sogar die gekauften Socken wärmen die Füße und erfüllen ihren Zweck. Aber es ist wirklich kein Blödsinn, den ich euch heute hier erzähle. Das kann mir kein geringerer als der Nikolaus selbst bestätigen. Fragt ihn, wenn ihr ihn in diesem Jahr irgendwo treffen solltet. Ich bin davon überzeugt, dass ihr mir dann glauben werdet.
Was aber war das Geheimnis dieser bunt geringelten Strümpfe? Lange wusste ich das auch nicht, bis ich es vor vielen Jahren erfahren habe. Damals besuchte ich Oma Socke regelmäßig, denn sie konnte nicht nur stricken, nein, sie erzählte auch ganz wunderbare Geschichten. Ich liebte Geschichten und da meine Oma gestorben war, was mich lange Zeit sehr traurig machte, schickte meine Mutter mich zu Oma Socke. Was besseres hätte mir nicht passieren können, denn wenn ich bei ihr war, vergaß ich für eine Weile meine Trauer und irgendwann nahm ich Oma Socke beinahe wie eine eigene Oma an. Das tat uns beiden sehr gut, denn Oma Socke hatte selbst keine Enkelkinder.
„Warum wärmen deine Socken viel besser als alle anderen Socken der Welt?“, fragte ich sie eines Tages. Oma Socke lächelte, zierte sich aber noch ein wenig, mir das Geheimnis anzuvertrauen.
„Wenn ich es dir erzähle, dann ist es ja kein Geheimnis mehr!“, sagte sie. „Aber, ich bin eine alte Frau und vielleicht sollte ich es wenigstens dir erzählen, damit es nicht in Vergessenheit gerät, wenn ich einmal nicht mehr da bin.“
Dieser Satz machte mir ein wenig Angst, denn Oma Socke hatte ja wohl nicht vor, meiner richtigen Oma in den Himmel zu folgen?
„Du musst bei mir bleiben!“, sagte ich deshalb traurig und das Geheimnis war auf einmal gar nicht mehr so wichtig. „Ich brauche dich doch!“
Oma Socke standen Tränen in den Augen. Dabei hatte ich sie gar nicht traurig machen wollen, ich hatte doch nur eine Frage gestellt und nun waren wir beide kurz vorm Weinen.
„Ist schon gut, wir müssen ja alle mal gehen!“, sagte sie und dann lächelte sie wieder. „Pass auf, ich erzähle dir jetzt, warum meine Socken so beliebt sind. Sie haben außer der Wolle zwei Zutaten, die sie so besonders machen.“
Das klang geheimnisvoll und ich wollte nun unbedingt wissen, welche Zutaten das waren. Irgendwie klang das lustig, wie beim Backen.
„Und? Was waren das für Zutaten?“, fragte ich.
„Die erste ist die Liebe!“, sagte sie und strich liebevoll über den fast fertigen Strumpf, den sie gerade in Arbeit hatte. „Man muss beim Stricken Freude empfinden und liebevoll an denjenigen denken, für den sie bestimmt sind!“
Das konnte ich verstehen, schon deshalb, weil in meinem Zimmer ein Bild hing, auf dem folgender Spruch stand: Was man mit Liebe tut, wird immer gut! Mama hatte mir das erklärt und seitdem machte ich sogar meine Hausaufgaben mit Liebe, dann ging es mir viel leichter von der Hand. Ich sagte jetzt nicht „Ich liebe dich“ zum meinen Matheaufgaben, das wäre doch zu viel des Guten gewesen. Aber ich ging mit Freude an die Sache und Freude und Liebe liegen ja eigentlich ganz nah beieinander, oder?
„Und? Die zweite Zutat?“, fragte ich ungeduldig.
„Die habe ich vom Nikolaus empfohlen bekommen!“, behauptete Oma Socke. „Warte, ich zeige es dir!“ Sie griff nach ihrem Haarknoten, löste ihn und ihre weißen Haare fielen über ihre Schulter. Wie ein Engel sah sie plötzlich aus. Ich hätte niemals gedacht, dass Oma Socke so lange Haare hatte. Sie griff ein einzelnes Haar und zog es mitsamt der Wurzel aus. Aua! Dann nahm sie ihr Strickzeug, legte das Haar über den linken Zeigefinger, zusammen mit dem Wollfaden, und strickte es in die nächsten Maschen mit ein.
Dann erklärte sie: „Der Nikolaus hat einmal einige Paare Socken bei mir bestellt, die waren für eine arme Familie bestimmt. Am Nikolausabend wollte er die Socken in deren Stiefel stecken. Aber vergiss nicht, sagte er zu mir, eines deiner Haare in jedem Socken mit zu stricken. Das wärmt besonders gut, der Winter wird hart! Selbstverständlich habe ich seinen Wunsch erfüllt und seitdem stricke ich in jede Socke ein Haar von mir mit hinein! So ist das!“
Ihr könnt euch vorstellen, dass ich erstmal sprachlos war. Aber ich weiß genau, dass es stimmt, denn, wie gesagt, ich hatte auch mal ein Paar Socken von Oma Socke, das ich gehütet habe wie meinen Augapfel.
Jetzt kennt ihr das Geheimnis der besten Socken der Welt. Vielleicht strickt ihr ja auch, dann strickt doch mal ein eigenes Haar mit ein, vielleicht funktioniert es bei euch auch – und: vergesst die Liebe nicht!

Wenn ich so auf meine Füße schaue und dort Oma Bettys Socken entdecke, dann frage ich mich, ob sie wohl auch ein Haar von sich mit eingestrickt hat. Wie ich sie kenne, wird das der Fall sein. Sicherheitshalber werde ich sie fragen, oder ich warte mal auf den Nikolaus und lasse mir die Geschichte bestätigen, vorsichtshalber!

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5. Dezember

„Es liegt nahe“, sagte Oma Betty, „dass ich in dem Adventskalender auch das Bild einer Kerze gefunden habe. Kerzen gehören ja zum Advent und zu Weihnachten unbedingt dazu. Es gibt viele Kerzengeschichten, aber diese hier kennst du sicher noch nicht, also hör gut zu:“

Jeder ist schön auf seine Art

„Rot!“, sagte die kleine Kerze. „Rot ist die schönste aller Farben. So gern wäre ich rot, aber ich bin nur einfach weiß. Das ist doch keine Farbe, ich bin so traurig!“, jammerte sie.
„Du bist eine schöne weiße Kerze, die niedlichste, die ich je gesehen habe. Ich weiß gar nicht, warum du so jammerst. Weiß ich doch schön.“, meinte die dicke Kerze, die größer war als alle anderen in dem kleinen Laden. Auch sie war weiß und war dazu bestimmt, eine Altarkerze zu sein. Irgendwann würde sie in einer Kirche auf dem Altar stehen. Darauf freute sie sich schon sehr.
Die Honigkerzen kicherten. „Wir sind die schönsten Kerzen, weil wir so herrlich duften!“, sagte eine von ihnen und die anderen stimmten ihr zu. „Ja, ja, wir durften herrlich. Gerade gestern noch hat eine Dame an uns geschnuppert und genau das gesagt!“
„Streitet nicht!“, rief eine Glitzerkerze, die im Licht funkelte. „So schön wie ich es bin ist keine von euch!“, fügte sie noch hochnäsig hinzu. „Glitzer ist voll in Mode!“
„Leute, genießt euer Leben. Seid einfach froh, dass ihr da seid. Eines Tages zündet man uns an und dann sind unsere Tage gezählt. Wir brennen ein paar Stunden oder Tage und dann bleibt von uns nichts mehr als ein kläglicher Wachsrest. Ja, so ist das!“ Die Stimme kam aus dem Karton mit den Teelichtern.
Plötzlich klingelte die Türglocke des kleinen Ladens. Kunden betraten das Geschäft und auch die Besitzerin, Frau Klein, kam aus ihrem Büro.
„Guten Tag, die Herrschaften!“, sagte sie. „Kann ich helfen?“
„Wir möchten eine Kerze kaufen“, sagte eine feine Dame, die ein Mädchen an der Hand hatte.
„Schauen Sie sich gern um“, sagte Frau Klein freundlich und führte die Kunden zum Kerzenregal. „Hier sind unsere Kerzen!“
Die Kerzen verhielten sich mucksmäuschenstill. Keine von ihnen wollte gekauft werden, denn, wie hatte das Teelicht gesagt? Dann sind unsere Tage gezählt!
Die Kundin nahm eine von den Honigkerzen und schnupperte daran.
„Oh, wie wunderbar sie duften!“, rief sie aus und hielt ihrer Tochter die Kerze unter die Nase. „Riech mal!“
Das Kind roch kurz daran und verzog das Gesicht.
„Gefällt mir nicht!“, sagte es und griff nach der Glitzerkerze. „Die ist schön!“, rief es aus. „Die möchte ich haben.“
Die Mutter wollte ihrer Tochter die Kerze abnehmen, doch das wollte das Kind nicht. Es gab ein kurzes Gerangel, wodurch die Glitzerkerze zu Boden fiel. Rumms!
Frau Klein bückte sich und hob die Kerze, die nun eine dicke Macke bekommen hatte, auf. „Oh!“, sagte sie.
„Mir gefällt sie sowieso nicht!“, sagte die Kundin, statt sich zu entschuldigen. „Guck mal Liebling, die kleine weiße Kerze ist doch schön. Die nehmen wir!“
„Die ist unverkäuflich!“, rief Frau Klein schnell. „Und die dicke weiße Kerze kommt demnächst auf den Altar und die Honigkerzen sind schon alle reserviert. Die Glitzerkerze ist nun beschädigt, die kann ich auch nicht mehr verkaufen. Ich kann also nichts weiter für Sie tun!“
„Komm!“, sagte die Frau und zog ihre Tochter am Arm. „Wir gehen!“
„Gott sei Dank“, flüsterte Frau Klein, aber nur ganz leise. Dann stellte sie die Glitzerkerze liebevoll auf ihren Platz zurück. „Du bist noch immer schön!“, sagte sie zu ihr und an die anderen gewandt: „Und ihr auch, eine jede auf ihre Weise!“
Fortan stritten die Kerzen nicht mehr und sie freuten sich über jeden Tag, den sie in Frau Kleins kleinem Laden verbringen durften und wenn sie jemals jemand anzünden würde, dann sollte es ein Mensch sein, der sie wertschätzte, so wie Frau Klein das tat.

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Die Zwillinge Gabriel und Günter

Die Zwillinge Gabriel und Günter steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. Dabei sahen sie sich vor, dass niemand mitbekommen konnte, was sie sich gerade erzählten, denn das würde ihren Plan zunichtemachen.
„Lass uns heute Nacht abhauen, bevor es zu spät ist“, meinte Günter leise und dann schnatterte er laut, weil sich der Bauer näherte. Gabriel stimmte mit ein, denn das tun Gänse, wenn sich jemand in ihre Nähe begibt. Der Bauer hatte sie sogar mal als „seine Wachhunde“ bezeichnet. Das war zwar eigentlich ungehörig, aber trotzdem hatte es sie doch ein wenig mit Stolz erfüllt. Hunde waren schließlich gefährliche Tiere mit scharfen Zähnen. Denen wollte keiner so leicht ans Leben.
Bei Gänsen war das anders, ganz besonders vor Weihnachten, denn bei vielen Familien landete eine Weihnachtsgans im Bratentopf und das waren keine guten Aussichten.
„Wir gehen nach Bethlehem, da wird uns nichts geschehen!“, hatten sie deshalb beschlossen.
Nun könnte man sich fragen, woher denn die Gänse von der Weihnachtsgeschichte wussten. Das war so: der kleine Johannes, der Sohn vom Bauern, hatte ihnen die Geschichte erzählt. So romantisch und spannend klang es, dass da der Josef mit seiner Maria den langen Weg zurücklegte und dann das Christkind in einem Stall geboren wurde, so, als sei es eines von ihnen. Günter und Gabriel waren davon überzeugt, dass dieser Menschensohn, nicht nur für die Menschen geboren war, sondern auch für die Tiere und deshalb wollten sie ihm die Ehre erweisen und auch nach Bethlehem reisen. Sie wussten zwar nicht so genau, wo es langging, aber das würde sich schon ergeben, dachten sie.
„Wahrscheinlich“, meinte Gabriel, „sind wir ja sowieso Engel. Schau uns an, wir haben ein weißes Kleid und Flügel, genau wie die Engel. Wir können fliegen und sind liebreizend anzusehen und ich heiße sogar so wie der Engel Gabriel. Vielleicht bin ich gar einer seiner Nachfahren, könnte doch sein, oder?“
Günter rollte mit den Augen, dass machte er immer, wenn Gabriel etwas sagte, das unglaublich klang, aber doch ein Körnchen Wahrheit haben könnte.
„Gabriel, du bist zwar ein eingebildeter Fatzke, aber da du mein Zwillingsbruder bist, könntest du in diesem Fall recht haben. Dann allerdings … wären wir beide Engel.“
„Sag ich doch!“ Gabriel war stolz darauf, dass er das erkannt hatte. Außerdem fand er es viel schöner, ein Engel zu sein, als ein Wachhund.
Als der Bauer außer Sichtweite war, machten sich die beiden Gänseengel deshalb auf den Weg nach Bethlehem. Vergnügt schnatterten sie, als sie ein Loch im Zaun fanden, drunter her
krochen und sich gleich darauf in die Luft hoben, wie richtige Engel das eben machen.
Da bin ich ja wirklich gespannt, ob die beiden es bis nach Bethlehem geschafft haben. Wenn Oma Betty das sagt, dann wird es wohl stimmen. Bei uns gab es übrigens zu Weihnachten noch nie eine Gans und nachdem ich nun diese Geschichte kenne, werde ich auch keine Gans essen, ich schwöre!
Ich freue mich schon auf die nächste Geschichte, mal sehen, was Oma noch so in ihrem alten Adventkalender gefunden hat und welche Geschichte sie dazu erzählen wird.

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