Früher oder ganz früher? (Oma Betty)
Oma Betty hat selten schlechte Laune und wenn, dann nur ganz kurz, fünf Minuten oder so. Bei Mama ist das anders. Sie kann auch mal eine Stunde, oder noch viel länger übellaunig durch die Gegend laufen. Ist ja klar, verstehe ich auch. Mama ist für alles zuständig, das kann einem schonmal die Laune verhageln. Sie muss sich um uns kümmern, um Papa auch; sie muss die Wäsche waschen und kochen und immer ist einer dabei, dem es nicht schmeckt. Papa kocht aus diesem Grund eher selten und Wäsche macht er auch nicht gern, weil er mal eine Maschine Wäsche verfärbt hat und das hat Mama ihm lange aufs Butterbrot geschmiert.
Wenn wir morgens alle aus dem Haus gehen, dann geht Mama auch zur Arbeit und sie kommt zurück, bevor wir alle wieder da sind. Das fällt praktisch gar nicht auf, dass sie weg war und deshalb merkt eigentlich auch keiner, dass Mama ja auch noch außer Haus arbeitet.
„Das gab es früher nicht!“, sagt Oma Betty. „Da waren die Mütter zu Hause!“
„Aber Oma, du hast doch auch immer gearbeitet!“, erinnere ich sie. Oma überlegt einen Moment, dann nickt sie. „Ich meine auch ganz früher!“
„Ganz früher?“
„Ja, als ich Kind war!“, erklärt Oma und ich glaube, dass sie nun selbst blöd findet, dass sie diesen Spruch – Das gab es früher ja nicht – verwendet hat.
Es gibt noch einen Satz, den Oma so richtig doof findet: Wir hatten ja damals gar nichts! Wenn Oma das hört, dann wird sie fuchsteufelswild.
„So ein Blödsinn!“, schimpft sie dann und das ist dann so ein Moment, der ihre Laune in den Keller sacken lässt. Ich lasse sie in Ruhe, das ist das Beste. Ich weiß auch genau, was sie sagen wird, wenn die Laune wieder die Treppe hochkrabbelt.
„Wir hatten es so gut damals. Es gab zwar nicht so viel Spielzeug, aber wir haben uns tolle Spiele ausgedacht und stundenlang haben wir Buden im Wald gebaut. Wir waren bei jedem Wetter draußen und deshalb waren wir auch selten krank!“
„War das früher, oder ganz früher, Oma?“, will ich dann wissen und dann kommt sie ins Schleudern.
„Ganz früher, als ich Kind war!“, sagt sie und grinst. „Du willst es auch immer ganz genau wissen!“
„Wer nicht fragt, bleibt dumm! Das hast du mir selbst beigebracht, Oma und nun sollten wir einen Spaziergang machen!“
„Aber es regnet doch!“ Oma schaut zweifelnd aus dem Fenster.
„Hast du nicht gerade gesagt, dass ihr bei jedem Wetter draußen wart?“
Eins zu Null für mich. Oma versucht gar nicht mehr, sich mit dem Wetter herauszureden. Emmy holt ihre Leine und ich mein Skateboard und Oma fügt sich. Geht doch!
© Regina Meier zu Verl
Oma Betty und ihr Enkelsohn sind schon Teil der Familie
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Oh, danke schön!!!!! ❤
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Herrlich. Ich musste so richtig schmunzeln beim Lesen. Gelungene Geschichte. LG Ela☕
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Danke schön, liebe Ela! ❤
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