Das sind die heutigen Reizwörter:
Krämerladen – Bierflaschen – suchen – lesen – staubig.
Bitte lest auch bei meinen Kolleginnen:
Lore
Tante Käthes Krämerladen
Alle nannten das Geschäft von Tante Käthe stets den Krämerladen. Dabei hieß Tante Käthe mit Nachnamen gar nicht Krämer. Dass der Begriff von den Worten Kram oder kramen abgeleitet wurde, habe ich erst viel später verstanden. Heute sehne ich mich hin und wieder nach so einem Laden wie Tante Käthe ihn damals betrieben hat. Man muss aber danach suchen, denn es gibt sie nur noch vereinzelt. Ich glaube in unserem Ort ist davon keiner mehr zu finden. Bei Tante Käthe war immer Zeit für einen kurzen Plausch und wie oft haben wir Kinder einen Lutscher oder ein Bonbon geschenkt bekommen. Tante Käthe stand fein frisiert und mit ihrer steif gestärkten und gebügelten Schürze hinter dem Tresen und begrüßte jeden Kunden mit persönlichen Worten.
„Na, junge Dame, wie geht es dir heute. Bist ein bisschen blass um die Nase!“, sagte sie einmal zu mir. Ich versicherte ihr, dass ich aber ganz gesund sei. Ich reichte ihr meinen Einkaufsbeutel über den Tresen, in dem zwei Bierflaschen klimperten, die ich zurückgeben sollte.
„Soll ich die wieder auffüllen?“, wollte sie wissen. Ich schüttelte den Kopf.
Bier kauften wir nur am Wochenende. Während der Woche gab es Tee in allen Variationen. Wir Kinder bekamen am Samstag eine Flasche Apfelsinchen, die mussten wir uns einteilen. Oh, wie habe ich das Getränk geliebt. Noch heute genehmige ich mir ab und zu eine Flasche dieser knallorangen Zuckerbrause und dann denke ich zurück an die Zeit, als ich Kind war. Was gab es Schöneres als eine Scheibe frisches Graubrot mit Butter und Leberwurst, garniert mit Gewürzgurkenscheiben und dazu ein Glas Apfelsinchen? Nichts!
Neben Tante Käthes Laden war eine Gastwirtschaft, in der Onkel Heinrich, Käthes Ehemann, das Regiment hatte. Er stand dort hinter seiner blitzblank geputzten Theke und versorgte die Gäste mit frisch gezapftem Bier, Limonaden, Frikadellen mit Senf und sauren Gurken. Manchmal gingen unsere Eltern mit uns dorthin und wir durften jeweils für einen Groschen Erdnüsse aus den Kugelautomaten ziehen, die früher in jeder Gastwirtschaft zu finden waren. Bei Onkel Heinrich gab es sogar zwei verschiedene Sorten, gesalzene Nüsse und Erdnüsse, die mit einer roten Zuckerschicht überzogen waren. Meine Mutter nahm für jeden von uns einen Bierdeckel und kniffte die vier Seiten ein wenig nach oben, so dass ein kleines Schälchen entstand, da hinein legten wir die Nüsse und genossen sie, langsam, eine nach der anderen.
In der Kneipe gab es auch eine Musikbox. Für 50 Pfennig konnte man drei Schlager wählen, wenn ich mich richtig erinnere. Während ich das hier schreibe, kriecht mir der Geruch der alten Kneipe in die Nase. Es duftet nach Bohnerwachs, Bier und Tabak. Ganz leise höre ich Rita Pavone singen: Arrividerci Hans. Ich kann den Text noch heute auswendig. Ich fand den Schlager toll. Später hat sich mein Musikgeschmack deutlich verändert, trotzdem war es so eine schöne Zeit mit dem Lied von Hans, den zwei kleinen Italienern, die nach Napoli reisen wollten und den roten Lippen, die zum Küssen da sind.
Meine Freundin und ich sangen diese Schlager mit Begeisterung, wenn wir unsere täglichen Spaziergänge machten.
Während ich das hier geschrieben habe, fühlt sich alles ganz frisch an. Es sind keine staubigen Erinnerungen mehr und nachdem ich nun nachgelesen habe, was mir da innerhalb der letzten Stunde auf die Tastatur gehüpft ist, habe ich große Lust, weitere Erinnerungen aufzuschreiben. Mal sehen, was da noch so kommt!
© Regina Meier zu Verl 2017
Das habe ich geahnt, dass du ‚mal eben schnell‘ eine Geschichte gezaubert hast, weil du etwas spät dran warst :-). – Ganz wunderbare Erinnerungen, die ich ganz genau so mit dir teile. – Leider gibt es auch hier keinen Krämerladen mehr. – Danke auch für die Erklärung. Nun weiß ich auch, warum die Läden so heißen! 🙂 – Einen schönen Tag und liebe Grüße! Martina
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Da sind jetzt beim Lesen ganz viele Erinnerungen wach geworden. Ich werde mich jetzt ein Weilchen entspannen, und diese genießen…
Danke für deine wunderbare Geschichte! ♥
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Auch bei mir sind gerade die Erinnerungen durch den Kopf gehüpft und ich muss dabei ein wenig schmunzeln. Deine Reise in die Vergangenheit ist soooo schön und lässt mich wieder zurück in meine eigene Kindheit blicken, denn auch bei uns gab es noch die Läden mit persönlichem Kontakt.
Herzliche Grüße
Astrid
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Hat dies auf LebensArt Norwegen rebloggt und kommentierte:
Liebe Regina, beim Lesen kamen mir die gleichen Erinnerungen mit den Gerüchen und Dingen. Man vergisst sie nie. Liebe Grüße Eva
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Liebe Regina, bei Deiner Geschichte kamen beim Lesen mir auch viele Erinnerungen von Gerüchen und Dinge. Man vergisst sie nie. Liebe Grüße Eva
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Liebe Regina,
mir ging es beim Lesen genauso – auch ich habe sie noch gekannt, die kleinen Krämerläden. Oder den Metzger, bei dem man immer endlos warten musste, weil die anwesenden Frauen die Neuigkeiten der letzten Tage durchhecheln mussten … Und dann der „Konsum“ – da wurde die Milch oder die Buttermilch noch mit Messbechern aus großen Kannen abgeschöpft und in die mitgebrachte Milchkanne geschüttet – heute undenkbar!
Bei uns im Stadtteil gibt es noch so einen kleinen Lebensmittel-Laden, der auch Zeitschriften, Brot und Brötchen, Pflanzen für den Balkon und Getränke verkauft. Ich kaufe dort auch hin und wieder ein – schon, weil der Inhaber so nett ist. Diesen Laden müssen wir uns warmhalten, denn wenn wir mal zu alt sind, in den nächsten Supermarkt zu fahren, werden wir froh sein, dass er da ist … – er bringt nämlich bei Bedarf die Einkäufe auch zu den Kunden nach Hause. Wo findet man das heute noch?
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
Christine
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